: Korruption geduldet
Gewerkschaften und GAL-Fraktion kritisieren vom Senat geplante Aufweichung des Vergabegesetzes als Einladung zum Rechtsbruch
Von Marco Carini
Die vom Senat geplante Änderung des Hamburger Vergabegesetzes bleibt höchst umstritten. Auch die gestrige Expertenanhörung des Wirtschaftsausschusses, die bei Redaktionsschluss andauerte, konnte die Bedenken an der von Senator Gunnar Uldall (CDU) vorgelegten Gesetzesnovelle nicht ausräumen.
Zwei Eckpfeiler des Anfang 2004 von SPD, GAL und Schill-Partei verabschiedeten Paragraphenwerks will der Senat schrittweise kippen: Die Tariftreueregelung und das Korruptionsregister. Erstere sieht vor, dass die öffentliche Hand nur Aufträge an Firmen vergeben darf, die ihre Mitarbeiter nach gültigen Tarifen entlohnen. In dem Register sind alle Unternehmen aufgeführt, denen der Versuch nachgewiesen wurde, Aufträge mithilfe von Schmiergeldern zu ergattern. Sie werden dann über Jahre bei städtischen Projekten nicht berücksichtigt.
Bereits vor der Anhörung hatten die Gewerkschaften und die GAL eine Streichung beider Gesetzespfeiler harsch kritisiert. Das Vergabegesetz, das nun entschärft und bis 2008 befristet werden soll, „ist ein wichtiges Mittel zur Durchsetzung der Tariftreue und gegen Lohndumping“, betonte der Hamburger DGB-Vorsitzende Erhard Pumm.
Würde die Regelung aufgeweicht, dürften „viele Arbeitnehmer auch bei öffentlichen Aufträgen der Konkurrenz der Billiganbieter ausgesetzt sein, kein tarifliches Entgelt mehr erhalten“ oder gar „ihren Arbeitsplatz verlieren“. Mit einer Abschaffung des Korruptionsregisters nehme der Senat zudem „Bestechung billigend in Kauf“.
Schon heute würden mangelnde Kontrollen in der Praxis zu zahlreichen Verstößen gegen das Gesetz führen, klagt IG Bau-Geschäftsführer Andreas Suß. Würden nun die Vertragsstrafen für Firmen, die das Vergaberecht gezielt unterlaufen, wie geplant halbiert und das Korruptionsregister abgeschafft, käme das „einer Einladung zum Einsatz von Billiglöhnen gleich“.
Der GAL-Abgeordnete Till Steffen kritisierte im Vorfeld der Anhörung, es sei „geradezu eine Ermunterung für zweifelhafte Unternehmen“, dass der Senat mit dem Register „ein wichtiges Mittel zur Korruptionsbekämpfung“ abschaffe. „Leitbild des Senats“, frotzelt der Rechtsexperte der Grünen, sei „offenbar der ehrlose Kaufmann“.
Steffen kann darauf verweisen, dass die Zahl der Korruptionsverfahren in Hamburg kontinuierlich ansteigt. Gingen bei der Staatsanwaltschaft 2003 noch 218 neue Verfahren ein, waren es ein Jahr später schon 316 Fälle. Diese Zahl werde, so Steffen „2005 noch übertroffen“.
Moderater fiel vor dem Ausschuss hingegen die Kritik der Bauwirtschaft aus. Michael Seitz, Hauptgeschäftsführer der Bau-Innung, betonte jedoch, jede Einschränkung der Tariftreuebindung „mache das Chaos am Markt noch größer“ und nehme den Bauunternehmen, die sich an die gültigen Tarife hielten, „jede Chance“. Wie auch Handwerkskammerchef Frank Glücklich ist Seitz mit „der dreijährigen Befristung des Gesetzes unzufrieden“. Eine Lanze brach Glücklich für die Abschaffung des Hamburger Korruptionsregisters. Da er von der Großen Koalition in Berlin bald eine bundesweite „Sündenliste“ erwarte, sei eine „landesweite Insellösung überflüssig“.