: Kleine Pferde
Die erste reguläre Ausgabe des Gesellschaftsmagazins „Park Avenue“ von Gruner + Jahr will den Promis noch näher kommen, bei „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust verglüht man fast
VON OLIVER GEHRS
Am liebsten liest Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust natürlich sein eigenes Blatt. Seit gestern aber liegt ein Magazin am Kiosk, das selbst Aust – der alles, was jenseits des Spiegels passiert, besonders kritisch sieht – gefallen dürfte: Die zweite Nummer des Hochglanzheftes Park Avenue aus dem Hause Gruner + Jahr beinhaltet ein Porträt von ihm, von dem Park-Avenue-Chefredakteur Alexander von Schönburg zum Staunen der Kollegen schon vorige Woche intern verkündete, dass es allzu kritisch nicht sein könne, da der Autor Michael Jürgs und Aust ja Freunde seien.
Das ist also das neue Konzept von Park Avenue, dessen erste Nummer mit der weltexklusiven Nachricht, dass Deutschland wieder Stars habe, so lala angekommen war – weswegen man im Verlag jetzt so tut, als sei die zweite Nummer die wirklich erste. Ein alter Kindertrick: nach dem verlorenen Match zu rufen, dass man erst jetzt richtig spiele.
Schönburg ist etwas aufgefallen, was bislang kein Mensch wusste: Der Gesellschaftsjournalismus, so dozierte er unlängst in einer Mitarbeiterversammlung, stecke in der Krise, da die Distanz zu den Promis zu groß sei. In der Arabellastraße (dort in München ist der Burda-Verlag mit seiner Bunten beheimatet) säßen Menschen, die erst googeln müssten, wenn sie Saint-Tropez oder Thyssen richtig schreiben wollten.
Zur Rettung des Genres habe er nun über seine Schwester Gloria von Thurn und Taxis geschrieben und Jürgs eben über Aust – die ja auch nach Erscheinen der Geschichte noch Tennis miteinander spielen wollten. Nicht nur, dass man den Spiegel-Chef bisher für einen ausschließlichen Reiter hielt, verwunderte da die Zuhörer, auch Schönburgs offenes Bekenntnis zur Lobhudelpublizistik. Um nicht gar zu affirmativ zu wirken, schob er seinen Ausführungen einen kleinen fiesen Witz hinterher: Man habe, so Schönburg, Stefan Aust eigentlich auf einem Pferd fotografieren wollen, habe aber keins gefunden, das klein genug gewesen sei.
So steht Aust also auf dem Bild im Heft schon noch ein bisschen herrenreiterhaft, aber eben auch nur irgendwie auf einer Wiese herum, und man darf nach Lektüre des Porträts in der Tat annehmen, dass Jürgs und er Freunde bleiben werden, sollten sie es denn überhaupt je gewesen sein. Denn eigentlich gibt es in dieser Eitelkeits-Klasse keine echten Freundschaften. Wohl deswegen scheitert Jürgs mit dem Vorhaben, das Park-Avenue-Herausgeber Klaus Liedtke im Editorial so skizziert: Man wolle durch „eine besondere Nähe, die auf Intimität, auf Freundschaft- oder Verwandtschaftsverhältnissen beruht, Einsichten und Ansichten“ liefern, „die uns sonst verborgen geblieben wären“. Das Buch, das ich über Aust geschrieben habe, bezeichnet Jürgs als „nachgetretene Biografie“, die nicht vorurteilsfrei recherchiert worden sei, nur Altbekanntes auftische und Austs wahre Größe verkenne. So fungiert sein Artikel auch als eine Art Gegendarstellung, nach der Aust kein Problem mit seiner Nähe zu den Springer-Männern Mathias Döpfner und Kai Diekmann hat, womit Jürgs wiederum kein Problem hat, er macht ein Bomben-Blatt, aber eigentlich lieber Spiegel TV, er trägt gern blaue Hemden und Basecaps – und dass ihm möglicherweise ein Angebot des Springer-Verlags als Fernsehvorstand vorliegt, hat man sich irgendwie auch denken können. Einzig, dass Aust zaghaft darüber nachdenkt, ob er nicht vor der Wahl ein bisschen viel Stimmung gegen Rot-Grün gemacht hat, ist fast eine Sensation.
Bei Aust hat das Konzept der Nähe also zum Verglühen allen journalistischen Anspruchs geführt, bei Schönburg und seiner Schwester Gloria funktioniert es erstaunlicherweise. Zwar erzählt der Chefredakteur vor allem, welch satten Anekdotenschatz er ihr verdankt, aber das sind in der Tat allesamt Schnurren, die man selbst gern zum Besten gäbe. Von einer Frau, die ihren Jack-Russell-Terrier auf den Papst ansetzt, fließend Suaheli spricht und einen veritablen Putzwahn hat, würde man sich in der Tat gern mal morgens wecken lassen: „Los, aufstehen! Zack, zack!“
Man muss also bei Park Avenue noch herausfinden, wann die Nähe etwas bringt oder wann sie nur noch peinlich ist (wenn etwa Yoko Ono über John Lennon schreibt oder ein Notizzettel von Herbert Grönemeyer reliquienhaft ausgeleuchtet wird). Man sollte vielleicht den Anteil der Geschichten erhöhen, bei denen die kritische Betrachtung nicht eine Sache von gestern ist, wie etwa der Report über die seltsamen Methoden des Immobilienmoguls Anno August Jagdfeld. Oder die sich den Promis nicht auf Brustwarzen kriechend nähern wie der Besuch bei Zsa Zsa Gabor und ihrem missratenen Mann. Im Notfall kann man ja immer noch so tun, als wäre erst die nächste Ausgabe die erste.
Oliver Gehrs ist Autor der Biografie „Der Spiegel-Komplex. Wie Stefan Aust das Blatt für sich wendete“ (Droemer)