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Archiv-Artikel

Lothar Bisky darf in die vierte Runde gehen

Der Wunschkandidat der Linkspartei.PDS für das Amt des Bundestags-Vizepräsidenten bekommt noch eine Chance: Am 8. November könnte der PDS-Chef gewählt werden. Doch ob das klappt, wird vor allem an der SPD hängen

BERLIN taz ■ Lothar Bisky will noch ein viertes Mal antreten, und er soll nach dem Willen der parlamentarischen Geschäftsführer aller Bundestagsfraktionen auch die Gelegenheit dazu erhalten. Voraussichtlich am 8. November wird der Bundestag darüber abstimmen, ob die Linkspartei.PDS ihren Wunschkandidaten ins Bundestagspräsidium entsenden kann – oder nicht.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Linkspartei.PDS begrüßte gestern diesen Beschluss ihrer Kollegen im „Vorältestenrat“. Es werde also „deutlich, dass es keine Einwände gegen Lothar Bisky gibt“, erklärte Dagmar Enkelmann nach der Sitzung. Nun will „Die Linke“ um mehr Akzeptanz für ihren Parteivorsitzenden werben.

Ob dies noch hilft, war gestern Abend jedoch durchaus zweifelhaft. Der Fraktionsgeschäftsführer der FDP, Jörg van Essen, sagte der taz: „In einer Demokratie gilt: Wer zweimal durchfällt, ist durchgefallen.“ Die Linkspartei gehe ein Risiko ein, wenn sie an Bisky festhalte: „Es ist nun Sache der Linkspartei, verantwortlich mit dem Kandidaten und dem Amt umzugehen.“

FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt hat der „Linken“ längst empfohlen, einen anderen Kandidaten aufzustellen. Weder Union noch FDP wollen in ihren Fraktionen für Bisky werben. „Wir machen gar keine Vorgaben“, sagte der CDU-Geschäftsführer Norbert Röttgen.

Bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags am 18. Oktober hatte die Wahl des Bundestagspräsidiums zu einem Eklat geführt. Der neue Bundestagspräsident von der CDU, Norbert Lammert, wurde umstandslos gewählt, ebenso seine Stellvertreter von SPD, CSU, Grünen und FDP. Nur die Wahl des Kandidaten Bisky von der Linkspartei endete nach drei quälend langen Wahlgängen mit einer Niederlage: 258 Neins gegen 248 Jas.

Schon für den ungewöhnlichen dritten Wahlgang hatte Lammert die Geschäftsordnung des Bundestages etwas eigenständig gedehnt: Eine einfache Mehrheit sollte reichen. Damit hatte er einige Abgeordnete verärgert, die dann beim dritten Wahlgang vermutlich fehlten. Diese Änderung soll nun für den vierten Wahlgang im November formal festgeschrieben werden, entschied der Vorältestenrat gestern.

Doch diese kleine Verschiebung dürfte kaum jemanden von denen besänftigen, die Bisky vergangene Woche ihre Stimme vorenthielten. Vor allem Unionsabgeordnete machten deutlich, dass zwar die Linkspartei auch ihren Vize bekommen solle – aber eben nicht diesen. Gegen Bisky liege ein ungeklärter Stasi-IM-Verdacht vor. Auch sei er als Parteichef nicht mit der fürs Präsidium nötigen Unparteilichkeit gesegnet.

Ungewiss ist auch, ob SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz seine Zusage erfüllen kann, seine Truppen für Bisky einzusammeln. Zumindest einige rechte „Seeheimer“ erklärten noch vor wenigen Tagen unverblümt, sie hielten Rache an der Linkspartei für verständlich. Sollte der Widerstand gegen Bisky bei Union und FDP nun eher wachsen, wird sein Schicksal davon abhängen, wie sich die SPD-Mehrheit entscheidet.

So klangen gestern auch die Grünen, die ihrerseits weitgehend hinter Bisky stehen, skeptisch. „Da muss man schauen, was dabei herauskommt“, sagte der Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck der taz. Auch die Grünen wollen die Prozedur „nicht endlos wiederholen“, so Beck. „Das Dilemma bleibt: Einerseits handelt es sich um eine freie Wahl – andererseits gibt es einen Besetzungsanspruch der Fraktion.“ Das „gewisse Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Prinzipien“ sei nicht aufzulösen.

Die Linkspartei sagte gestern nichts dazu, was sie macht, wenn Bisky auch in der vierten Runde durchfällt. „Wir sind so beschäftigt, darüber machen wir uns noch keine Gedanken“, flötete ein Sprecher. Doch Bisky selbst hat bereits erklärt, er habe keine Lust auf unendlich viele Wahlgänge. Dem Vernehmen nach will die Fraktionsführung im Zweifel auf den Posten lieber verzichten, als von Bisky abzulassen. ULRIKE WINKELMANN