: Genossinnen schaffen gutes Klima
NORD-SÜD-BRÜCKE Schon 680 Menschen und Organisationen von vier Kontinenten sind Mitglied bei fairPla.net. Ihr Unternehmen baut Klimaschutzprojekte in der ganzen Welt. Der reiche Arzt aus Deutschland und die arme Bäuerin aus Indien haben das gleiche Stimmrecht
GENF taz | Zwei Menschen aus dem Münsterland wollten nicht warten, bis PolitikerInnen ihre Lippenbekenntnisse in verbindliche Klimaschutzmaßnahmen umsetzen. Stattdessen gingen Sabine Terhaar und Edgar Boes-Wenner die Sache selbst an. Auf bürgerschaftlicher Ebene tun sie genau das, was die internationale Klimawissenschaft als Lösung für die Weltgemeinschaft fordert: Brücken für den Klimaschutz bauen zwischen den reichen Industrieländern und den ärmeren Regionen der Erde.
Die Brücken schlagen Terhaar und Boes-Wenner mit fairPla.net, der von ihnen initiierten internationalen Genossenschaft für Klima, Energie und Entwicklung. Mitglieder in dem jungen Gemeinschaftsunternehmen sind inzwischen über 680 Menschen und Organisationen aus elf Ländern auf vier Kontinenten. „Die Mitglieder zahlen Genossenschaftsanteile ein, die wir parallel in Deutschland und in ärmeren Ländern investieren“, erläutert Sabine Terhaar das Prinzip von fairPla.net.
So errichtete das Unternehmen zum Beispiel eine 151-Kilowatt-Solarstromanlage auf einer Schule im westfälischen Münster. Gleichzeitig beteiligte es sich an der Finanzierung eines Dorfenergieprojekt im nordindischen Bihar. Der dortige Partner Desi Power hat ein Biomassekraftwerk gebaut, das nicht nur Strom produzieren, sondern auch Arbeitsplätze schaffen soll. Die Dorfanlage sorgt für eine gesicherte Energieversorgung und schafft die Basis für Kleinbetriebe in Landwirtschaft und Handwerk. So können nicht nur Bewässerungspumpen für die Landwirtschaft betrieben werden, sondern auch Reisschäl- und Brikettierungsmaschinen, die Brennstoffe liefern. „Insgesamt können wir in der Kombination von Kraftwerk und kleinen Betrieben 30 bis 50 Arbeitsplätze im Dorf schaffen“, erläutert Hari Sharan von Desi Power.
Kommen solche lokalen Wirtschaftskreisläufe in Gang, bringen sie einem Dorf einen echten wirtschaftlichen Gewinn. Zugleich profitiert auch die Welt, weil sich die klimaschädlichen Gase reduzieren. „Immerhin verringert dieses Dorfprojekt die Kohlendioxidemission um 500 Tonnen pro Jahr – das sind nach 15 Jahren ganze 7.500 Tonnen“, rechnet Sharan vor.
Und es gibt weitere Klimaschutzbrücken von fairPla.net. Eine reicht von mehreren Wind- und Solarstandorten in Deutschland bis nach Druschnaja, einem Dorf für Tschernobyl-Umsiedler in Weißrussland. Eine andere erstreckt sich bis nach Argentinien, wo im kalten Hochland der Anden Solarheizungen und Solarkocher für Indio-Kindergärten gefördert werden. Auch ein Produktionsbetrieb für angepasste Solar- und Windkrafttechnologie in ländlichen Regionen Afghanistans gehört dazu.
So verbindet fairPla.net die Förderung Erneuerbarer-Energie-Wirtschaft in Deutschland mit Armutsbekämpfung in ärmeren Regionen der Erde und gemeinschaftlichem globalem Klimaschutz. Den Mitgliedern der Genossenschaft soll aus dem Betrieb der Anlagen auf die Dauer eine Dividende von 2 bis 3 Prozent zufließen.
Dass fairPla.net genossenschaftlich organisiert ist, kommt nicht von ungefähr. „Die Erdatmosphäre ist ein Gemeinschaftsgut aller Menschen, das wir gleichberechtigt und gemeinschaftlich schützen müssen“, beschreibt Edgar Boes-Wenner die Philosophie. Und dazu passt am besten das genossenschaftliche Wirtschaften. „Es garantiert, dass alle Mitglieder die gleichen Rechte haben, egal ob reicher Arzt mit vielen Genossenschaftsanteilen aus Deutschland oder arme Bäuerin aus Indien“, ergänzt Vorstandskollegin Terhaar.
In den Augen der beiden Gründer und Vorstandsmitglieder von fairPla.net steht die Genossenschaft heute dort, wo die Ökostrombewegung in Deutschland vor zehn Jahren begann. Diese konnte das von der rot-grünen Bundesregierung beschlossene Erneuerbare-Energien-Gesetz nutzen, um viele Menschen zum Umstieg auf grünen Strom zu bewegen. Genau so kann heute eine wirtschaftlich tragfähige Bewegung für globale Klimagerechtigkeit entstehen. Denn inzwischen verabschieden immer mehr Staaten – auch in den armen Regionen der Erde – Gesetze, die bürgerschaftliches Wirtschaften mit erneuerbaren Energien möglich machen. „Diese Chance wollen wir nutzen und Klimaschutz so praktizieren, wie es die Klimaexperten fordern“, sagt Sabine Terhaar.
Die gemeinsame Hoffnung der beiden Initiatoren: Viele Menschen und Organisationen sollen die Idee eines gerechten Klimaschutzes durch Reich und Arm aufgreifen – auf dass noch viele weitere Klimaschutzbrücken entstehen. ANDREAS ZUMACH
■ Andreas Zumach ist UNO- Korrespondent der taz in Genf und Mitglied der Genossenschaft fairPla.net