: Rüttgers und die Wut der FDP
Die nordrhein-westfälische FDP brodelt: Die Liberalen sind über den Flirt von CDU-Regierungschef Rüttgers mit der SPD mehr als verärgert. Doch Partei- und Fraktionsführung mauern – noch
VON ANDREAS WYPUTTA
In der nordrhein-westfälischen FDP wächst die Wut auf CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Dem Regierungschef fehle es „ganz offenkundig an Wertschätzung für seinen Koalitionspartner“, finden immer mehr Liberale. Rüttgers mache der SPD „mehr als nur Avancen“, glaube offensichtlich, „dass Nordrhein-Westfalen nicht durch die in Düsseldorf regierende Koalition zu retten“ sei, ist aus der FDP immer lauter zu hören.
CDU-Landeschef Rüttgers hatte Ende vergangener Woche mit einem Brief an führende Sozialdemokraten für Aufsehen gesorgt – der Ministerpräsident gilt wegen der Ignoranz, mit dem die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel den größten Landesverband bei der Besetzung ihres Kabinetts abstrafte, als frustriert. In dem Schreiben, dass etwa an die drei künftigen NRW-Bundesminister Franz Müntefering, Peer Steinbrück und Ulla Schmidt (alle SPD) gerichtet war, fordert Rüttgers „konkrete Maßnahmen des Bundes“, um „das industrielle Herz Deutschlands“ wieder nach vorn zu bringen. Konkret wünscht sich der Regierungschef etwa Geld zum Bau des Rhein-Ruhr-Express, für die Erneuerung nordrhein-westfälischer Kraftwerke oder mehr Max-Planck-Institute.
„Das hätte einen Aufschrei in der FDP geben müssen“, ärgert sich ein führender Liberaler. Gefordert seien nun die Spitzen von Partei und Fraktion. Die aber reagieren derzeit mehr als vorsichtig auf Rüttgers‘ Affront: Zwar hatte Gerhard Papke, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, am Dienstag vor dem Landtagsplenum angemahnt, Land und Bund bräuchten einen neoliberalen, wirtschaftsfreundlicheren Kurs als von Rüttgers vorgegeben. „Wir werden sehr genau beobachten, was wir vom Verhandlungspartner der SPD zu erwarten haben“ – den Namen seines großen Koalitionspartners CDU wollte der liberale Fraktionschef offenbar nicht einmal mehr in den Mund nehmen. Doch zu mehr Kritik kann sich Papke nicht durchringen: Der Liberale blieb gestern unerreichbar – ebenso wie FDP-Landesgeneralsekretär Christian Lindner.
Doch vielen seiner Parteifreunde reicht das nicht. „Papkes Kritik ist doch rhetorisches Hochreck, das versteht doch kein Mensch“, ist aus der FDP zu hören. Nötig sei vielmehr ein deutliches Signal an die Christdemokraten: „Der Ministerpräsident braucht die Ansage ‚Vorsicht an der Bahnsteigkante‘“. Völlig unnötig hätte sich die FDP in Bund und Land an die CDU gekettet, sich so strategische Optionen genommen. „Die Grünen sind da sehr viel klüger, die haben wenigstens mit der CDU gesprochen – und erst dann Koalitionsverhandlungen abgelehnt.“
Doch auch die Bundesebene der Liberalen mauert wie die Partei- und Fraktionsführung in NRW. „Mich hat der Rüttgers-Brief nicht aufgeregt“, wiegelt Jörg van Essen, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, ab. Dann aber wird van Essen deutlicher: Natürlich hätten die Liberalen gerade in NRW eine „Wächter- und Antreiberfunktion“ – und die sei gerade durch die große Koalition im Bund „noch wichtiger“ geworden. Derzeit gebe es aber „keinen Grund, Alarm zu schlagen“, findet der Abgeordnete aus dem westfälischen Hamm. „Das sollten wir erst tun, wenn die Zusammenarbeit etwa im Kabinett nicht mehr funktioniert.“
Damit aber werden Nordrhein-Westfalens Liberale weiter mit dem Spott der Grünen leben müssen. Die FDP sei „das fünfte Rad am Wagen“, höhnt die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann bereits. „De facto haben wir eine große Koalition auch hier in NRW.“