kickende kreuzberger migrantinnen
: Keiner hat gelacht

Die Geschäftsstelle des Berliner Fußballclubs Türkiyemspor am Kottbusser Tor ist mit ihrem kleinen Gastronomieangebot eines jener Cafés, in denen meist nur Tee trinkende Männer sitzen, die ganz viel rauchen und Karten spielen oder die Übertragungen aus der türkischen Süperlig verfolgen. Das sollte eigentlich auch am Donnerstagabend so sein. Dabei sollte an diesem Tag der Verein Flutlicht e. V., der die deutschen Veranstaltungen der europäischen Aktionswoche „Football against Racism in Europe“ koordiniert, hier eine Podiumsdiskussion zum Thema Migration und Rassismus im Frauen- und Mädchenfußball durchführen. Woran sich bloß der Pächter zunächst nicht erinnern konnte. Aber dann wurde improvisiert. Ein paar Tische wurden zusammengerückt, die Stammgäste aufgefordert, ihr Spiel zu unterbrechen, der Ton der Fernsehübertragung runtergedreht. Die Veranstaltung konnte beginnen.

Scheinbar die Idealbesetzung für eine Diskussion zum Thema Migration und Rassismus ist Nationalspielerin Navina Omilade. Die dunkelhäutige Fußballerin vom FFC Turbine Potsdam beteuerte allerdings, in ihrer ganzen Fußballerin-Karriere noch nie Probleme wegen ihrer Hautfarbe gehabt zu haben – nicht in Mönchengladbach, wo sie aufgewachsen ist, und nicht in Potsdam, wo sie seit drei Jahren unter Vertrag steht. Probleme habe allenfalls ihr Vater gesehen, der seit 15 Jahren in Berlin lebt und seine Tochter gewarnt hat: „Osten, das geht ja nun gar nicht.“ Aber nein – alles bestens in Brandenburg.

Auch Turkan Arslan und Murat Dogan, die beim FC Türkiyemspor eine Mädchenmannschaft aufgebaut haben, sehen in rassistischen Anfeindungen von außen kein Problem in ihrer Arbeit. Sie berichteten von ganz anderen Schwierigkeiten: davon, dass ihre türkischstämmigen Mädchen in ihrer Begeisterung für den Fußballsport nicht ernst genommen werden. Von den gleichaltrigen Jungs sowieso nicht, aber eben auch nicht von ihren Eltern. Die erlaubten ihren Töchtern das Fußballspielen nur in der sicheren Annahme, dass sie sowieso nicht lange mitmachen würden. Trainerin Arslan sieht noch größere Probleme auf die Mannschaft zukommen, wenn ihre Mädchen älter, mithin weiblicher werden. Erst zehn Mädchen sind zurzeit bei Türkiyemspor eingeschrieben, dagegen stehen nicht weniger als 450 Jungen, die in den diversen Altersklassen beim selben Verein kicken. Im Kreuzberger Kiezleben fehlt dem Frauen- und Mädchenfußball beinahe noch jegliche gesellschaftliche Anerkennung.

Von dieser Erkenntnis war Starfußballerin Omilade, immerhin Welt- und Europameisterin, fast ein wenig schockiert. Sie schwärmte von der wachsenden Präsenz des Frauenfußballs in den Medien und vom wachsenden Respekt auch der männlichen Kollegen. Den geschäftsführenden Präsidenten des Deutschen Fußballbundes, Theo Zwanziger, der auch bei Frauenspielen immer wieder „präsent ist“, bezeichnete sie gar als „Supertypen“. Dass es „an der Basis“ so schwer sein kann, eine Mädchenmannschaft zu etablieren, hat sie zum ersten Mal gehört. In Kreuzberg scheint man da noch nicht viel weiter zu sein als beispielsweise in Honduras. Darüber berichtete Erika Harzer, die den viel beachteten Dokumentarfilm „Adelante Muchachas!“ über die Etablierung von Mädchenfußball in dem mittelamerikanischen Land gedreht hat. Auch dort führen Mädchen und junge Frauen einen Kampf um Anerkennung und ernten von der Männerwelt doch selten mehr als müdes Lächeln.

Nach dem Ende der Veranstaltung packten die Stammgäste im Männercafé wieder ihre Karten aus. Einige von ihnen hatten zuvor die Diskussion verfolgt und dabei weder gelacht noch gegrinst. Immerhin.

ANDREAS RÜTTENAUER