Was geblieben ist

PUNK Die Mönchengladbacher Band EA80 spielt in einer Liga, von der die meisten nicht einmal wissen, dass es sie überhaupt gibt. Am Samstag tritt sie im Schlachthof auf

Man kann sich auch jenseits von Jugend und innerem Aufruhr von dieser Musik daran erinnern lassen, dass Sehnsucht das einzige ehrliche Gefühl ist. Das vergisst man ansonsten schnell, wenn man erst einmal alt und dick und wohlhabend geworden ist

VON BENJAMIN MOLDENHAUER

Auf ein paar Dinge kann man sich verlassen. EA80 waren schon immer da und werden wahrscheinlich auch in hundert Jahren noch Platten in schwarz gehaltenen Covern rausbringen. Die Musik hat sich mit der Zeit graduell verfeinert, ist aber am Ende die gleiche geblieben: melodiös-düsterer Punkrock und eine sonore, Ian-Curtis-artige Stimme, an der die Geister sich scheiden. Wie nähert man sich einer Band an, die von einem bewunderungswerten Eigensinn beseelt ist, immer nur gemacht hat, wonach ihr gerade war und wirklich nicht danach verlangt, dass man über sie schreibt?

Man kann sich etwa fragen, warum EA80 für den sogenannten Popdiskurs niemals, um mal ein hässliches Wort einzuflechten, „relevant“ waren. Dabei wäre das doch durchaus interessant: Eine Band, die seit ihrem ersten Auftritt 1980 (der Bandname hält dieses Datum in Kurzform fest) keine erkennbaren Kompromisse mit irgendjemandem eingegangen ist, die, von ein paar Konzertplakaten in irgendwelchen Punkläden abgesehen, nie eine nennenswerte Form von Promotion betrieben hat – und eine ganze Menge Leute immer wieder dazu bringt, quer durchs ganze Land zu fahren, um eines der so seltenen wie legendären Konzerte zu sehen. Die Homepage ist übrigens auch super: ein schwarzer Bildschirm, da steht „EA80“ in weißen Buchstaben – und sonst nichts.

Vielleicht ist die Abwesenheit in Intro, Spex und Konsorten in den Songtexten begründet. Die nämlich werden von Menschen, die von Berufs wegen vor allem clever sein müssen, gerne als Pubertätslyrik abqualifiziert. Von EA80 kann man lernen, dass das böse Wort ohne Weiteres positiv besetzbar ist. Man muss sich halt nur trauen. Und dann den Leuten Stücke um die Ohren hauen, die, weil sie sich um Coolness und Ironie nicht scheren, dort landen können, wo, von Mutter, den frühen Blumfeld und einer paar anderen Ausnahmen einmal abgesehen, nur selten eine deutschsprachige Band hingelangt.

Dabei geht es im Zweifelsfall ganz einfach, beispielsweise so: „Ich muss sagen: Es tut so weh / Ich muss sagen: Es geht vorbei / Drei Tage noch wirst du existieren in meinen Tränen / dann werd ich nicht mehr weinen / und dich hat es nie gegeben“ – das ganze eingebettet in eine dringlich mäandernde Gitarrenlinie und ein stilsicheres Rumpelschlagzeug. Gut auch, wie die sich immer wieder in eine hilflose Wut hineinschraubende Stimme klarstellt, dass nur das Wenigste tatsächlich vorbeigeht. Klarer und nachvollziehbarer lässt sich die narzisstische Kränkung, die man erfährt, wenn man von der oder dem Liebsten verlassen worden ist, nicht auf den Punkt bringen, zumindest nicht auf fünf Zeilen.

Meine Lieblingsplatten sind „Grüner Apfel“ und „Schweinegott“. Die kamen Mitte der neunziger Jahre – wenn man die Flut von 7inchs, EPs und diversen seltsamen Formaten wie etwa den EA80-CDs in einem Mönchengladbacher Zigarettenautomaten mal rausrechnet – direkt hintereinander. Das war toll damals, die ganzen großen Gefühle, die man sich als Erwachsener irgendwann abgewöhnt, suchten sich Lieder, mit denen man sich noch mehr aufwühlen konnte. Nicht die schlechteste Zeit.

Man kann nach dieser Musik, wie überhaupt nach Punk, der es ernst meint, nicht erwachsen werden, ohne das allzu viel verloren geht. Den Verlust haben EA80 immer wieder besungen. „Ideale weiß man kaum noch richtig zu schreiben / jetzt tut man alles / für Ruhm und Geld“, heißt es in „Was ist geblieben“. Auch das nicht falsch, sondern einfach und klar. Die Band hat es dann einfach bleiben lassen mit dem Ruhm und mit dem Geld.

Warum also waren EA80 nie relevant für die federführenden Diskurs- und Werbeagenturen? Keine Ahnung. Egal. Wichtig ist: Man kann sich auch jenseits von Jugend und innerem Aufruhr von dieser Musik daran erinnern lassen, dass Sehnsucht das einzige ehrliche Gefühl ist. Das vergisst man ansonsten schnell, wenn man erst einmal alt und dick und wohlhabend geworden ist.

■ Samstag, 20 Uhr, Schlachthof