taz-Thema der Woche

Geschichte von den schwarzen Buben

■ betr.: „Schaumgeküsste Debatten“, taz vom 27. 12. 12

Ja, wo kämen wir denn da hin, wenn wir uns als ehemalige Kolonialisten, Träger der deutschen Leitkultur und Inhaber der Definitionsmacht auch noch von den Betroffenen (Schwarze, nicht euphemistisch „Farbige“) vorschreiben ließen, in alter Tradition des alten und neuen Sklaventums unter Abwandlung des Schimpfwortes Nigger die deutsche Bezeichnung Neger zu verwenden?

Dieses Recht auf rassistische Sprachreglung lassen wir uns nicht nehmen. gerdos, taz.de

■ betr.: „Der Mainstream ist schon weiter“, taz vom 28. 12. 12

Statt „der Mainstream ist weiter“ könnte auch formuliert werden: Die konservative Ministerin Kristina Schröder überholt inzwischen auch die taz, wo immer noch mit dem N-Wort und anderen sprachlichen „Grenzüberschreitungen“ der Rest „politisch korrekter Leser_innen“ provoziert wird.

Nicht der Mainstream ist folglich „weiter“, es ist eher so, dass die linke Avantgarde von früher mit dem Tempo des Mainstreams gar nicht mehr mithalten kann. joergNeubauer, taz.de

■ betr.: „Die kleine Hexe, ohne Rassismus“, taz vom 4. 1. 13

das problem sind nicht nur die begriffe, sondern welche begriffe verboten und getilgt werden, wer die auswahl treffen darf und wessen einwände gehör finden. beispiel hexe: das ist nicht nur historisch höchst problematisch, es wird auch heute noch als schimpfwort für frauen benutzt, besonders frauen, die aus der geschlechtsrolle ausbrechen oder nicht attraktiv sind. es IST ein schimpfwort. es IST herabsetzend. im märchen ist die hexe eine negative, hinterlistige figur, die in den ofen gestoßen werden muss. mit der hexe im märchen hat niemand mitleid. es gibt für sie kein happy end. dennoch wird die forderung, „hexe“ durch andere begriffe zu ersetzen, nicht als legitim angesehen, und zwar weil frauen sie erheben. damit ist das anliegen per se illegitim. sicher könnte man argumentieren, in der „Kleinen Hexe“ sei das wort reclaimt, nicht so gemeint usw. aber das könnte man genauso dem „negerlein“ attestieren. klingt ja auch ganz niedlich und ist nicht so gemeint. der unterschied liegt darin, dass man sich mit antirassismus derzeit moralisch effektiver in szene setzen kann als mit antisexismus. natural born nickelbrille, taz.de

■ betr.: „Die kleine Hexe, ohne Rassismus“, taz vom 4. 1. 13

Ich frage mich, ob durch das Streichen von Wörtern das Problem Diskriminierung bewältigt, verschoben oder schlicht ignoriert wird. Zum einen denke ich, dass ein solcher Umgang mit Sprache wie folgt: „Es sei nötig, Bücher dem sprachlichen und politischen Wandel anzupassen, begründet Willberg den Schritt. ‚Nur so bleiben sie zeitlos‘“, jede Argumentation von Zensur, Zurückhaltung oder Zerstörung von Literatur etc. rechtfertigen kann. Jede. Zum anderen glaube ich, dass es auf diese Weise keine Sensibilisierung für Diskriminierung mehr geben kann. „Und mich freut es auch, wenn unsere Kinder beim fröhlichen Lesen nicht über ausgrenzende Begriffe stolpern.“ Aus den Augen, aus dem Sinn?

Literatur, die kritisch zu hinterfragende Ausdrücke verwendet, sollte mit einem Vorwort versehen worden sein. Ansonsten würde Diskriminierung nur vordergründig angegangen. Schon heute gibt es zig Alternativen zu Neger. Das dahinterstehende Problem der Stigmatisierung und Abgrenzung gegenüber „Anderen“ überlebt dennoch. Ein Unternehmen, das jeden Text ordentlich gendert, verfügt lange nicht über eine fest Quote. Es ist ein Unterschied, ob man Sprache verbietet oder ob man jemandem erklären kann, weswegen Wörter beleidigend, diskriminierend oder ausgrenzend sein können. Verbot torpediert eine aufgeklärte Diskussion um heikle Literatur. Ich würde auch nicht direkt gegen eine Änderung von entsprechenden Textzeilen plädieren, weil es kein gutes Argument für den Erhalt gibt. Aber es wäre vermessen, in 30 Jahren „Die kleine Hexe“ oder Grimms Märchen in einer dortigen sprachlichen Fassung als gegeben hinzunehmen. Es müsste deutlich gemacht werden, dass es einen Prozess aus bestimmten Gründen gegeben hat. Meiser, taz.de

■ betr.: „Die kleine Hexe“, taz vom 4. 1. 13

Da fragt der Sohn den Vater beim Vorlesen, warum da „Negerlein“ steht, und anstatt auf eine gute Frage eine aufklärende Antwort mit kulturellem und geschichtlichem Hintergrund zu geben, kümmert sich Herr Vater lieber darum, dass andere Eltern diese Gelegenheit nicht bekommen werden. Kinder löffeln nicht jede Suppe der Erwachsenen, und ihnen die Möglichkeit zu fragen/hinterfragen zu nehmen, ist schlimmer als jedes gedruckte Wort in Büchern! Hier wird nicht nur klassische Kinderliteratur geschändet, sondern Kindern die Vorlage, Fragen zur Vergangenheit zu stellen, genommen! Paul P., taz. de

■ betr.: „Die kleine Hexe“, taz vom 4. 1. 13

es wird spannenderweise immer von „unseren“ kindern gesprochen, die ja nicht gleich zu rassist_innen werden würden und ja noch was lernen könnten, wenn sie solche begriffe lesen würden und die eltern sie darüber aufklärten. das klingt doch so, als wären „unsere“ kinder ausschließlich weiße kinder.

es geht aber gerade auch um die kinder, die negativ von rassismus betroffen sind. sollen also kinder, die im alltag ständig von rassismus umgeben sind, auch noch in kinderbüchern, die ja explizit für die gemacht sind, auf diskriminierende begriffe stoßen? besser wär’s, wenn nicht. ben, taz.de

■ betr.: „‚Das Gott‘“ statt „‚Neger‘“, taz vom 21. 12. 12

Dieselbe Frau Schröder, der Märchen zu sexistisch sind, hat Ende Juni im Familienministerium Kindern aus dem zum Programm „Papilio“ gehörenden Buch „Paula im Koboldland“ vorgelesen. In diesem bemerkenswert spannungsarmen Kinderbuch kommen vier Gefühlsbolde und sogar ein „Fräulein Pädagogibold“ vor! Das Familienministerium hat die Herausgabe des Buchs gefördert. Wie wäre es, wenn Journalisten anlässlich der Bildungsmesse didacta im Februar 2013 endlich, endlich damit beginnen würden, ihre Nasen in die Fachbücher und Arbeitsmappen für Erzieherinnen zu stecken? Dort gibt es auf die Bildungspläne abgestimmte „Instant-Rezepte“ und „Förderprogramme“ zu entdecken, deren Anweisungen im Kabarett schallendes Gelächter auslösen würden. A-Mauel, taz.d

■ betr.: „Neuauflage kommt ohne ‚Neger‘ aus“, taz vom 5. 1. 13

Dem Artikel habe ich entnommen, dass die Sprache der Kinderbücher bereinigt werden soll. Und nicht nur das: Das Wort „Neger“ soll in dem Buch „Die kleine Hexe“ nicht ersetzt, sondern sogar ganz gestrichen werden. Mit anderen Worten: Der Text wird gekürzt, um das Buch „dem sprachlichen und politischen Wandel anzupassen“, wie es der Stuttgarter Verleger Klaus Willberg formuliert.

Wenn er das wirklich will, dann hat er viel zu tun. Denn der Wandel hört bekanntlich nie auf, und eine „zeitlose Sprache“ gibt es nicht. Und es gibt auch keine klare Grenze, hinter der die Diskriminierung beginnt. Den im Artikel zitierten Referatsleiter Migration & Diversity der Heinrich-Böll-Stiftung, Mekonnen Mesghena, stören zum Beispiel auch die Bezeichnungen „Chinesenmädchen“ und „Türken“.

Und was ist von der „kleinen Hexe“ zu halten? Niemand möchte gern als Hexe bezeichnet werden. Das Buch gründlich zu bereinigen, wird viel Arbeit machen. Einfacher wäre es, das Buch gleich ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Aber es wurde bereits in 47 Sprachen übersetzt. Müssen diese Ausgaben auch alle bereinigt oder gar eingestampft werden?

Das müsste man eigentlich tun, wenn man konsequent sein will. Und man könnte die Reinigung natürlich noch viel weiter treiben. Der Lohn der Mühe wären übersichtliche Bibliotheken und Texte, die im Sinne der politischen Korrektheit sauber sind. Nicht nur sauber, sondern porentief rein. Die Frage ist nur, wer so etwas noch lesen will. DETLEF KOENEMANN, Bielefeld

■ betr.: „Neuauflage kommt ohne ‚Neger‘ aus“, taz vom 5. 1. 13

Sicher gut gemeint, und in Kinderbüchern vielleicht auch sinnvoll. Trotzdem habe ich bei solchen Änderungen grundsätzlich ein komisches Gefühl. Eigentlich sollten Bücher und andere Kulturgüter ja auch Zeugnisse ihrer Zeit sein und aus solchen Passagen wäre bestimmt eine Menge zu lernen, zum Beispiel, wie sich Menschenbild und Sprachgebrauch wandeln. Heute sprechen aufgeklärte Menschen natürlich nicht von „Negern“, aber versteckten oder unbewusst geäußerten Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus gibt es weiterhin überall zu finden.

Ich fänd es jedenfalls schön, wenn die originalverfassten Bücher nicht völlig verschwinden würden, sondern beispielsweise im Unterricht kritisch unter die Lupe genommen werden könnten.

Und bei allem, was nicht speziell für Kinder geschrieben, gefilmt, produziert wurde, sollte man dem Konsumenten nicht die Verantwortung nehmen, sich auch mit der Zeit des Werkes auseinanderzusetzen. eliebelt, taz.de

■ betr.: „Neuauflage kommt ohne ‚Neger‘ aus“, taz vom 5. 1. 13

Was ist an dem Begriff „Türken“ rassistisch? Glaubt man allen Ernstes, das Problem sei gelöst, indem man bestimmte, aus heutiger Sicht diskriminierende Begriffe aus Kinderbüchern wie hier „Die kleine Hexe“ ersatzlos streicht? Damit beleidigt man aber unter Umständen die Intelligenz der jungen Leser. Das eigentliche Problem im Fall von Pippis Vater ist nicht so sehr der Begriff „Negerkönig“ als vielmehr die dahinterstehende Selbstverständlichkeit der Idee, dass ein weißer Europäer König über ein schwarzes Volk sein kann. Diesen Kolonialismus in seiner Selbstverständlichkeit zu hinterfragen, leistet eine Begriffsänderung oder gar -streichung aber nicht. Was hier betrieben wird, ist nur oberflächliche Kosmetik. noname, taz.de

■ betr.: „Neuauflage ohne ‚Neger‘“, taz vom 5. 1. 13

Ich halte das für eine fragwürdige Sache. Als ob nachträglich die Vergangenheit gesäubert werden könnte. Warum müssen Bücher zeitlos sein? Doch nur, weil man Angst hat, sie heute nicht mehr verkaufen zu können. Auch wenn der Struwwelpeter heute pädagogisch unakzeptabel ist, sollte er nicht aktualisiert werden. Kauft den Kindern neue, zeitgemäße Kinderbücher und lest Preußler für die eigene Nostalgie. Noch was: Wenn ich ein chinesisches Mädchen meine, wie soll ich es jetzt benennen? Nicht der Begriff ist rassistisch, sondern die Intention, mit der er verwendet wird. joe, taz.de

■ betr.: „Das liebe Gott spaltet die Union“, taz vom 24. 12. 12

Immer die gleichen pawlowschen Satzphrasen (meist weißer) Menschen: „Ich hab (beliebiges rassistisches Wort einsetzen) schon immer gesagt, warum also sollte ich das jetzt lassen? Das Wort war doch schon immer erlaubt – warum also jetzt verbieten? Ich meine es nicht rassistisch, also kann es das auch nicht sein. Wer sich von meinen Worten verletzt fühlt, hat ein Problem. Er/Sie muss damit klarkommen lernen.“ Solange ein Großteil unserer Mitmenschen so wenig Mitgefühl für die Verletzungen und Grenzen anderer aufbringen kann, drehen wir uns im Kreis. zuza, taz.de

Es ging spazieren vor dem Tor Ein kohlpechrabenschwarzer Mohr. Die Sonne schien ihm aufs Gehirn, Da nahm er seinen Sonnenschirm. Da kam der Ludwig hergerannt Und trug sein Fähnchen in der Hand. Der Kaspar kam mit schnellem Schritt Und brachte seine Bretzel mitUnd auch der Wilhelm war nicht steif Und brachte seinen runden Reif. Die schrie’n und lachten alle drei, Als dort das Mohrchen ging vorbei, Weil es so schwarz wie Tinte sei!

Der Niklas wurde bös und wild!

Er packte gleich die Buben fest,

Beim Arm, beim Kopf, bei Rock und West’,Bis übern Kopf ins Tintenfass Tunkt sie der große Nikolas. Du siehst sie hier, wie schwarz sie sind, Viel schwärzer als das Mohrenkind! Der Mohr voraus im Sonnenschein, Die Tintenbuben hinterdrein; Und hätten sie nicht so gelacht, Hätt’ Niklas sie nicht schwarz gemacht. Heinrich Hoffmann