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Archiv-Artikel

Spätes Gedenken an Mehdi Ben Barka

In Frankreich kommt Bewegung in den Fall des 1965 „verschwundenen“ marokkanischen Antikolonialisten

PARIS taz ■ Vierzig Jahre nach dem „Verschwinden“ des marokkanischen Oppositionellen Mehdi Ben Barka in Paris ist gestern im sechsten Arrondissement der französischen Hauptstadt ein nach ihm benannter Platz von Bürgermeister Bertrand Delanoë eingeweiht worden. Ben Barka war der Chef der damaligen so genannten Trikont-Bewegung, die sich für die Befreiung der Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas einsetzte. Am 29. Oktober 1965 hatte Ben Barka um 11 Uhr 30 ein Rendezvous in der Brasserie Lipp am Boulevard Saint-Gérmain in Paris. Es ging darum, mit dem Cineasten Georges Franju und der Schriftstellerin Marguerite Duras einen Film über die Dekolonisierung zu planen. Titel: „Basta“. Auf dem Trottoir sprachen ihn zwei Polizisten an: „Personenkontrolle“. Ben Barka stieg in ihren Wagen.

Seitdem ist Ben Barka, der einst Mathematiklehrer des marokkanischen Königs Hassan II. war, nie wieder gesehen worden. Nicht einmal seine Leiche. Eine juristische Aufklärung fand nicht statt. In Marokko soll König Hassan II. am selben Tag erklärt haben: „Ich brauche meinen Mathematikprofessor, um eine Gleichung zu lösen.“

Marokko hat das „Verschwinden“ von Ben Barka immer als innerfranzösische Angelegenheit betrachtet. In Frankreich scheiterte die Justiz an vielen Geheimnissen. Doch jetzt bewegt sich etwas: Im Dezember will Marokko eine französische Untersuchungskommission empfangen.

Ben Barkas „Verschwinden“ gehört in eine Reihe von bis heute nicht aufgeklärten Morden an linken Vordenkern der so genannten Dritten Welt, bei denen Geheimdienste ihrer Herkunftsländer und ihre europäischen Partner kooperierten. Zeugen und Beteiligte von Ben Barkas „Verschwinden“ sind ihrerseits mysteriös „verschwunden“. Der Student Thami Azzemouri, der Ben Barka zu dem Treffem begleitete, beging wenig später „Selbstmord“. Der französische Ganove Georges Figon, der den Hinterhalt organisiert hatte, schoss sich eine Kugel in den Nacken. Kurz zuvor hatte er dem Magazin Express erklärt, dass er Zeuge des Mords an Ben Barka war, und Marokkos damaligen Innenminister sowie Polizeichef als Täter beschuldigt, die beide zur Tat nach Paris gereist seien.

Am Wochenende organisierten Freunde Ben Barkas ein Kolloquium in Paris. Dabei stellten sie die Frage, was aus den afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern geworden wäre, wenn ihre Vordenker nicht ermordet worden wären.

DOROTHEA HAHN