die taz vor neun jahren über salman rushdie und dänemark
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Keine Ahnung, was es mit dem Aristeion-Preis auf sich hat und was man tun muß, um ihn zu bekommen. Trotzdem gehöre ich zu seinen rückhaltlosen Befürwortern, jede Mark, die man bedürftigen Autoren gibt, ist eine gute Mark. In diesem Jahr sollten Salman Rushdie und Christoph Ransmayr bedacht werden.

Leider ist jetzt aber etwas dazwischengekommen: Dänemarks Justizminister Björn Westh hat im Hörfunk bekennen müssen, daß die dänische Polizei „keine Kapazität“ habe, um Salman Rushdie bei der Verleihung am 14. November zu schützen. Die Regierung hatte Rushdie vorgestern informiert, daß ihm die Teilnahme an der Zeremonie aus Sicherheitsgründen „nicht gestattet“ wird. Der hatte daraufhin angekündigt, in diesem Falle den Preis abzulehnen.

Das ist schon ziemlich ungeschickt: Da möchte man sich und die europäische Kultur feiern und im Namen des abendländischen Geistes dem verfolgten Autor zur Seite stehen – und dann packt einen plötzlich die Angst vor der eigenen Courage. Nun muß man dem Gast, der schon vor der Tür steht, verbieten, daß er die gute Stube betritt und einem mit seinen unangenehmen Verfolgern im Rücken die Party verdirbt.

Wie soll man’s ihm bloß beibringen? Nichts gegen Sie, Herr Rushdie, aber diese Leute, die Sie da immer in ihrem Schlepptau haben, die ruinieren uns einfach die schöne Stimmung. Gott, wie peinlich!

Dabei hätte man sich doch elegant aus der Affäre ziehen können, wie jeder weiß, der schon einmal in letzter Minute eine Party platzen lassen mußte: Man hätte ihm sagen können, die Feier müsse leider ausfallen, weil die Gastgeberin urplötzlich schwerkrank zu Bett liege. So ist es: Der „europäische Geist“, in dessen Namen die Kulturfunktionäre feiern wollen, ist in besorgniserregendem Zustand.

JÖRG LAU, 2. 11. 1996