: „Unsere Bücher sollen nicht belehren“
Was ein gutes Kinderbuch ist, weiß jeder. Barbara König, Cheflektorin des Hamburger Kinderbuch-Verlags Carlsen, sagt, wie man es erkennt.
taz: Wie kommt man an Ihren Job?
Barbara König: Man muss gerne und viel gelesen haben – wie jede andere Lektorin auch. Die Entscheidung fürs Kinderbuch – das lag bei mir daran, dass ich es einfach kreativer finde. Ich hatte zunächst in einem Belletristik-Verlag gearbeitet. Auch interessant. Aber mir war’s irgendwie zu wenig. Diese Bandbreite vom Bilderbuch bis zum Jugendroman gibt es nur bei einem Jugendbuchverlag.
Es gibt aber auch viel Schrott.
Ja, es gibt viel Schrott.
Mehr als für Erwachsene?
Das glaube ich nicht. Es ist natürlich so, dass heute Bücher oft nur als Produkt gesehen werden. Natürlich sind Bücher auch Produkte, und es ist genauso falsch, zu denken, es wäre egal, ob ein Buch sich verkauft oder nicht. Aber es ist ja auch möglich Bücher zu machen, die Kinder mögen. Und die trotzdem nicht niveaulos sind.
Was macht ein gutes Kinderbuch aus?
Schwer zu sagen. Klar, es gibt Kriterien: Ob ein Spannungsbogen da ist und ob die Charakter-Entwicklung stimmt. Aber manchmal ist das alles richtig – und die Geschichte lässt trotzdem völlig kalt. Und umgekehrt weiß man manchmal, diese Autorin macht diesen und jenen Fehler – und trotzdem ist es ein gutes Buch, weil in dem, was sie erzählt, ein Zauber liegt, der einfach nicht fassbar ist.
Müssen Kinder aus Büchern etwas Vernünftiges lernen?
Freut mich, dass Sie das fragen. Wir sind nämlich ein ziemlich unpädagogisches Lektorat. Ich möchte nicht, dass unsere Bücher belehren – Motto: gut gemeint und schlecht geschrieben. Für uns ist wichtig, dass die Bücher gut erzählt sind. Klar, es gibt bestimmte Lebenshaltungen, die ich nicht unterstützen möchte. Da gab es zum Beispiel in einem anderen Verlag eine Reihe über eine Gang reicher New Yorker Mädchen, die nur das Problem hatten, möglichst viel Geld auszugeben. So etwas möchte ich nicht im Programm haben, genauso wenig wie Bücher in denen Gewalt zum Selbstzweck wird. Aber wir können auch nicht sagen: Wir machen nur gewaltfreie Bücher. Wir leben in einer gewalttätigen Welt – da können wir nicht Friede, Freude und Eierkuchen vorspielen.
Wie überbrückt man den Altersunterschied zum Ziel-Publikum?
Das ist im Grunde kein Problem. Jeder war einmal Kind, und Menschen bleiben Menschen – wenn man es schafft, sich zu vergegenwärtigen, wie man das als Kind gelesen hätte, macht man es richtig. Ein Beispiel: Wir haben jetzt ein Buch von Livi Michael herausgebracht, „Die flüsternde Straße“…
…eine Geschichte von zwei Waisenkindern im England des 19. Jahrhunderts …
…ein sehr düsteres Buch; und da war einigen im Lektorat das Ende „zu gut“. Das war nachvollziehbar, aber ich habe mich gefragt: Wenn ich das als Kind gelesen hätte – es ist wirklich eine sehr traurige Geschichte –und dann wäre es auch noch schlecht ausgegangen – dann wäre ich völlig niedergeschmettert gewesen. Also haben wir das Ende so belassen.
Die meisten Titel des Sortiments sind Übersetzungen. Sind deutschsprachige Jugendbuch-AutorInnen nicht konkurrenzfähig?
Es stimmt, wie in den Belletristik-Verlagen sind rund 70 Prozent der Titel Übersetzungen. Zwar sprechen einige derzeit vor allem mit Blick auf Cornelia Funke von einer Trendwende. Aber ob die wirklich eintritt, müssen wir noch abwarten. Woran das liegt, dass momentan nur so wenige deutsche AutorInnen konkurrenzfähig sind, weiß keiner. Ehrlich gesagt: Das macht mich wahnsinnig. Und wenn ich wüsste wie, ich würde es ändern. Sofort. FRAGEN: BES