piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Papst versteht Stoiber – die CSU nicht

Auf seiner Vatikan-Reise bekommt Stoiber von CSU-Politikern einiges zu hören: „Wenn Bayern Bayern bleiben soll, muss sich was ändern.“ Dagegen hat Benedikt XVI. bei einer Audienz noch Verständnis für den Rückzieher des Ministerpräsidenten

Von LÖW

ROM taz/epd/afp ■ Die CSU-Landtagsfraktion hat gegen den wankelmütigen Edmund Stoiber aufgemuckt. Beim Flug nach Rom, wo der Papst Bayerns Ministerpräsidenten gestern eine Audienz gewährte, sagte Fraktionschef Joachim Herrmann nach einem Bericht von Spiegel Online: „Es gab in letzter Zeit Irritationen. Wenn Bayern Bayern bleiben soll, dann muss sich was ändern.“ Die mitreisenden Landtagsabgeordneten hätten begeistert in die Hände geklatscht.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein sagte dem Bericht zufolge, es habe einen „Riesen-Applaus“ gegeben: „Und ich habe mich da sehr wohl gefühlt.“

Beckstein hatte sich mit Staatsminister Erwin Huber einen Zweikampf ums Amt des bayerischen Ministerpräsidenten geliefert – durch Stoibers Absage umsonst. Beim Besuch von Stoiber und seinen Ministern im Petersdom bekundeten Besuchergruppen ihre Sympathie. „Günther, Günther“, riefen sie ausgerechnet dem Protestanten Beckstein zu. Dass sie sich nicht mehr über Beckstein und Huber entzweien müssen, ist so ziemlich der einzige Vorteil, den die Abgeordneten vom Verbleib Stoibers in München haben.

Die CSU-Landtagsfraktion gilt als das Herz der Partei. Viele Mitglieder können sich offensichtlich nur schwer beherrschen: Die Äußerungen gingen gestern von „Klärungsbedarf“ bis „massiv genervt“. Vom Abgeordneten Alfred Sauter heißt es sogar, er lasse in einem Gutachten prüfen, ob die Amtszeit des Ministerpräsidenten in Bayern auf zehn Jahre begrenzt werden könne und ob er direkt vom Volk gewählt werden solle. Sauter ist mit Edmund Stoiber verfeindet, seit der ihn 1999 als Justizminister geschasst hat.

Schon vor dem Abflug nach Rom hatten sich einzelne Abgeordnete für CSU-Verhältnisse ungewöhnlich laut geäußert. „Die Lage ist beschissen“, sagte der Abgeordnete Sebastian Freiherr von Rotenhan. „Wenn ich mein Unternehmen geführt hätte wie Stoiber die CSU im letzten halben Jahr, wäre ich pleite.“

Noch lauter poltert es an der Basis: Der Kreisvorsitzende der Frankenwald-CSU, Joachim Doppel, sagte, Stoiber müsse vom Amt des bayerischen Regierungschefs zurücktreten. Die CSU könne unmöglich mit Stoiber als Spitzenkandidat in die nächste Landtagswahl 2008 ziehen: „So wie ich denkt die Basis der CSU bis hinauf in die obersten Leitungsgremien der Partei.“

Feuer bekommt Stoiber auch aus der CDU. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt sagte: „Edmund Stoiber war in Berlin eine Belastung.“ In Zeiten, in denen das Gebot der Stunde die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei, habe Stoiber alle mit Referatsaufteilungen und Kompetenzstreitigkeiten aufgehalten, um schließlich „April, April“ zu rufen. Dagegen verteidigte Thüringens Regierungschef Dieter Althaus den Bayern. Er habe ihn nicht als Belastung empfunden.

Schön für Stoiber war auch, dass der Heilige Vater seinen Besuch aus der „geliebten bayerischen Heimat“ mit „großer Freude“ begrüßte, wie der Vatikan mitteilte. Benedikt der XVI. lobte den Freistaat, wie es Stoiber am liebsten hört: „Ein Land, in dem modernste Forschung und Technik seit Jahrzehnten eine bevorzugte Heimatstadt gefunden haben.“ Der Papst empfing den Ministerpräsidenten und die 150-köpfige CSU-Delegation. Zuvor durften Stoiber und seine Frau Karin zum Pontifex. Im persönlichen Gespräch erklärte der Politiker, warum er doch nicht Bundeswirtschaftsminister werden will. Der Papst habe sich interessiert an der deutschen Innenpolitik gezeigt und „sehr viel Verständnis“ für seinen Rückzieher geäußert, sagte Stoiber. Er lud das Kirchenoberhaupt zu einem Besuch nach Bayern ein. „Wir wünschen es uns so sehr.“ LÖW