piwik no script img

Archiv-Artikel

Hinein in‘s fördernde Vergnügen

Viele Mütter und Väter waschen ihre Babies zu oft – und lassen sie zu wenig schwimmen. Dabei ist die Bewegung im Wasser eine kaum zu überschätzende Entwicklungshilfe. Zu beachten sind Mondphasen, Elternängste und der Schulter/Daumen-Test

taz: Manche Kinder werden unter Wasser geboren. Können die dann direkt mit einem Baby-Schwimmkurs weitermachen?

Schwimmmeister Michael Berg: Nein. Den Atemschutzreflex gibt es nur bis zur achten Lebenswoche, danach muss man das erst wieder lernen, die Luft anzuhalten. Die Kinder müssen also schon mindestens drei Monat alt sein, sonst können sie ihren Kopf gar nicht über Wasser halten.

Und wie verhält sich so ein Säugling im Wasser?

Im Prinzip gibt es drei Stile. Die Kinder legen sich entweder auf den Rücken oder auf den Bauch, dazu gibt es noch die Bojen-Lage: gerade runter. Aber das macht meist nur ein Kind pro Kurs. Generell gilt, dass die Kinder sehr unterschiedlich sind: Manche wollen das Becken gleich selbst erkunden, andere sind ziemlich auf die Mamma fixiert.

Wie viele Väter sind denn bei den Baby-Schwimmkursen?

Etwa zehn Prozent. Beim letzten Samstags-Kurs waren es allerdings 90 Prozent – das war super.

Was bewirkt das Schwimmen bei den Kindern?

Sie machen große Entwicklungsschübe. Im Wasser können sie sich leichter bewegen, das fördert die Motorik. Sogar das Knochenwachstum wird stimuliert und durch den Wasserdruck auf Brust und Bauch steigert sich auch das Atemvolumen. Und die Nieren werden angeregt.

Entsprechend viel Chlor müssen Sie dem Wasser beifügen ...

Das ist aber nicht schädlich. Wir nehmen nur 0,34 bis 0,64 Milligramm pro Liter.

Wie geht es nach den ersten Wasser-Erfahrungen weiter?

Ab der zweiten oder dritten Stunde kriegen die Kinder Schwimmflügel, damit sie sich alleine auf dem Wasser halten können. Wir haben spezielle, in denen die Bewegungsfreiheit nicht so eingeschränkt ist wie bei den üblichen Dreiecksflügeln. Wenn die Wassergewöhnung fortgeschritten ist, kann man auch mal tauchen. Möglicherweise ab der sechsten Unterrichtsstunde – aber natürlich immer abhängig davon, wie weit die Kinder sind. Später bauen wir mit Matten noch eine kleine Rutsche und üben das Eintauchen vom Rand aus.

Und später werden die Kinder von den Bademeistern angemeckert, weil sie vom Beckenrand springen ...

Deswegen dürfen sie ja auch nur von der roten Matte aus springen, die wir an den Rand legen. Man muss übrigens immer gucken, ob auch die Eltern schon so weit sind, Ihrem Kind den nächsten Schritt zuzutrauen. Die müssen das Kind ja auf dem Wasser loslassen und dürfen dabei nicht geschockt aussehen – sonst bekommt das Kind auch Angst. Ganz wichtig ist auch die Übung, sich am Beckenrand fest zu halten.

Gibt es Eltern, die für ihren Nachwuchs schon sportlichen Ehrgeiz entwickeln?

Bei einigen ist das so. Aber es geht ja nur darum, dass die Kinder eine angenehme Erfahrung machen und Vertrauen zum Wasser gewinnen.

Sie verteilen am Schluss also keine Seepferdchen und Früh-Fahrtenschwimmer.

Was wir den Eltern mitgeben, ist eine Urkunde mit einem kleinen Seehund oder einem Hai drauf – und einem Unterwasser-Foto von ihrem Kind.

Gibt es eine spezielle Ausbildung zum Baby-Bademeister?

Ich habe einen Kurs bei der Aqua-Fitnessakademie gemacht. Aber das meiste lernt man erst mit den Kindern.

Was denn, zum Beispiel?

Zum Beispiel, wie wichtig die Mondphasen sind. Ein Tag vor und ein Tag nach Vollmond kann es sehr schwierig sein, weil die Kinder quakig sind. Das gleiche gilt nach Impfungen.

Wie oft sollte man ins Schwimmbad gehen?

Einmal pro Woche langt. Die Kinder sind nach dem Schwimmen mental und körperlich völlig erschöpft – das Schwimmen fordert sehr intensiv sämtliche Muskelgruppen.

Und ab wann kann man mit seinem Kind in den Werdersee steigen?

Das geht auch schon ab drei Monate. Allerdings ist das Wasser natürlich wesentlich kälter als unsere Schwimmbecken: Ideal für Babies sind 32 bis 33 Grad. Man muss also auf Kältezeichen achten, zum Beispiel mit der Daumenprobe: Wenn der Abdruck auf dem Schulterblatt sichtbar bleibt, sollte man aus dem Wasser gehen. Von der Hygiene her ist ein See okay, schließlich reinigt er sich durch Regen und so weiter regelmäßig selbst.

Ihr Job macht Ihnen offenbar Spaß. Warum?

Weil man im Lauf des Kurses und bei den Fortsetzungskursen diese wahnsinnig großen Fortschritte sieht. Außerdem haben die Babies auf mich eine beruhigende Wirkung. Wenn man mit ihnen arbeitet, muss man selbst innerlich ruhig sein, sonst funktioniert das nicht. Es ist unglaublich, wie viel ein Baby-Lächeln an einem stressigen Tag ausmachen kann.

Interview: Henning Bleyl