: „Ich bin ein Späteinschalter“
Holger Rogall erntet Energie – zu Hause. Im öffentlichen Leben ist der 51-Jährige Professor für Umweltökonomie und sitzt für die SPD im Parlament. Der taz verrät er, warum sich Sonnenkollektoren lohnen. Und wieso es in Berlin trotzdem so wenige gibt
INTERVIEW ULRICH SCHULTE
taz: Herr Rogall, Sie sind einer der Solarpioniere der Hauptstadt …
Holger Rogall: Na ja, es gibt noch die wirklichen Pioniere, die schon seit den 70er-, 80er-Jahren mit selbst gestrickten Anlagen Energie gewinnen. Ich bin eher ein Pionier der modernen Anlagen, die Anfang der 90er aufkamen. Meine solarthermische Anlage – sie erzeugt mit Sonnenenergie warmes Wasser – wurde im Herbst 1990 installiert.
In Berlin ist der Winter lang und dunkel. Wie sinnvoll ist Sonnenenergienutzung in der Hauptstadt?
Sehr sinnvoll. Die Nutzer sparen an mehreren Ecken: Sie können einen Teil ihres Warmwasserverbrauchs und ihres Heizungsbedarfs mit Sonnenenergie decken – das ganze Jahr hindurch. Im Sommer liegt in meinem Haus der konventionelle Heizkessel komplett still, anderswo muss er ineffektiv Warmwasser zum Duschen erzeugen. Noch ein Vorteil: Wer an seine solarthermische Anlage die Wasch- und Geschirrspülmaschine anschließt, spart außerdem noch erhebliche Mengen an Strom.
Doch nun verabschiedet sich die Sonne Tag für Tag früher …
Aber besonders in den Übergangszeiten arbeiten die Anlagen effektiv – noch ist genug Licht da, gleichzeitig steigt der Warmwasserverbrauch. Irgendwann allerdings kommt der Zeitpunkt, an dem auch ich meinen Ölheizkessel anschmeiße.
Läuft der schon?
Leider. Das ist jedes Jahr so ein familieninternes Spiel – meine Frau und meine Tochter sind für frühes Zuheizen, mein Sohn und ich sind nordische Typen, Späteinschalter sozusagen. Also: Der Kessel läuft, obwohl die Solaranlage es noch bringen würde. Mein Thermostat am Wasserspeicher zeigt derzeit eine Temperatur von 55 Grad an – das reicht locker fürs Duschen. Aber die solare Wärme geht ja als Vorlauftemperatur in die Ölheizung und somit nicht verloren.
Sie haben die Temperatur genau im Kopf. Schauen Sie oft auf den Thermostat?
Ja, ich habe schon ein emotionales Verhältnis zu meiner Anlage entwickelt. So wie ein Bauer das Wetter ständig im Blick hat, freue ich mich über Sonne und meine „Energieernte“. Anfangs bin ich wirklich mit einem Block in den Keller gerannt und habe den Energiegewinn in Diagrammen festgehalten. Wir Ökonomen nennen diesen Effekt die „Emotionalrendite“.
Wie viel Geld sparen Sie durch die Anlage?
Da kann ich nur Größenordnungen sagen: An Heizöl verbrauche ich etwa 1.700 Liter jährlich, ohne Solaranlage wären es 300 Liter mehr. Dazu kommen nochmal bis zu 400 Kilowattstunden Strom, die ich spare. Da kommen in Zeiten steigender Strom- und Ölpreise ordentliche Summen zusammen.
Im Vergleich mit anderen Gemeinden steht Berlin, wenn es um die Kollektorfläche pro Einwohner geht, ganz hinten. Was ist hier schief gelaufen?
Der Fairness halber: Sie dürfen Berlin nicht mit einer kleineren Stadt wie Freiburg vergleichen, in der natürlich viel mehr Einfamilienhäuser stehen. Für deren Besitzer ist der Anreiz einfach größer. Denken Sie an die Emotionalrendite, die ist in Berliner Mietshäusern geringer – weil nicht überall Wärmemessgeräte installiert sind, auf die die Mieter schauen könnten.
Dennoch, das Land hat seine Solarförderung eingestellt. War das ein Fehler?
Der Sparzwang des Landes wird uns noch länger erhalten bleiben. Der Staat muss also zu anderen Maßnahmen greifen, um Solarenergie zu fördern. Kein deutscher Autofahrer bekommt einen Zuschuss, wenn er sich anschnallt, stattdessen gibt es eine Gurtanschnallpflicht. Warum sollte es bei Solaranlagen anders sein? Derzeit muss jeder Häuslebauer laut Energieeinsparverordnung sein Haus ordentlich isolieren. Der nächste Schritt muss sein, dass auch die Solaranlage beim Neubau vorgeschrieben ist.
Genau das haben Sie vor zehn Jahren mit der Solaranlagen-Verordnung probiert. Was war damals die Idee?
Wir haben das Zeitfenster nach dem Umweltgipfel genutzt, der 1995 als Rio-Nachfolgekonferenz in Berlin stattfand. Das Klimaschutz-Thema hatte so einen Schwung entwickelt, dass es kein Lobbyist wagte, dem Steine in den Weg zu legen. Immerhin hat das Abgeordnetenhaus 1995 einstimmig das Berliner Energiespargesetz geändert – und die Ermächtigung für eine Solaranlagen-Verordnung reingeschrieben. Bei Neubauten wäre zum Beispiel die Installation einer solarthermischen Anlage Pflicht gewesen.
Die Idee zerschellte am Widerstand der Baulobby, die sich lieber eine Selbstverpflichtung auferlegte – ohne sie ernst zu nehmen. Hätte der Senat härter durchgreifen müssen?
Ja. Verordnung wie Selbstverpflichtung scheiterten kläglich, und das haben politische Akteure wie der damalige CDU-Bausenator Klemann oder auch später Peter Strieder zu verantworten. Beide hatten leider andere Prioritäten. Aber jetzt steigen die Energiepreise dramatisch, Solaranlagen rentieren sich viel schneller, insofern ist es der ideale Zeitpunkt für einen neuen Versuch. Auf der Grundlage einer Initiative von Daniel Buchholz, unserem umweltpolitischen Sprecher, und mir werden wir zusammen mit der PDS im Parlament beschließen, dass der Senat eine solare Baupflicht erlassen soll (siehe Kasten).
Wem würden Sie den Einbau einer solarthermischen Anlage empfehlen?
Zum Beispiel allen, die ein Haus besitzen, das nach der Energiesparverordnung von 1983 gebaut wurde. Oder Hauseigentümern, die jetzt neu isolieren oder ihre Heizung austauschen. Da lohnt sich die Investition von 3.500 bis 4.000 Euro für eine Anlage wirklich.
Die so genannten Bürgersolaranlagen eignen sich für jedermann – und funktionieren gut in Berlin. Oder täuscht der Eindruck?
Nein, die stromerzeugenden Photovoltaik-Anlagen, an denen sich jeder beteiligen kann, sind eine tolle Sache. Denn sie erzeugen Strom, der nach den Bestimmungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ins Netz eingespeist und von den Energieversorgungsunternehmen – wie Vattenfall in Berlin – kostendeckend vergütet wird. Wer die Anlagen halbwegs vernünftig plant, verdient damit Geld, Renditen zwischen 5 und 7 Prozent sind üblich. Besser als jeder Bundesschatzbrief.