Eine Bannmeile am Oderhaff

Weil sich die Stadt Ueckermünde gegen NPD-Aufmärsche nicht anders zu helfen weiß, will sie als erste Kommune bundesweit politische Kundgebungen komplett verbieten. Das Demokratieverbot wird von allen demokratischen Parteien unterstützt

VON MARINA MAI

In der vorpommerschen Stadt Ueckermünde am Oderhaff ist die Demokratie auf dem besten Weg, sich selbst aufzulösen. Wie erst jetzt am Rande einer Fachtagung über Rechtsextremismus bekannt wurde, haben die örtlichen Stadtvertreter bereits Ende Oktober im Ausschuss für Ordnung und Sicherheit beschlossen, in der Altstadt des schmucken Städtchens künftig alle politischen Veranstaltungen zu untersagen.

Von dem Verbot betroffen wären Demonstationen und Kundgebungen, aber auch Infostände von Parteien und Unterschriftensammlungen zu politischen Themen. Das Vorhaben wurde von CDU, FDP, Linkspartei, SPD und einem parteiunabhängigen Vertreter gemeinsam getragen. Bindend ist das Votum des Fachausschusses allerdings erst, wenn die Stadtvertretung der Empfehlung folgt. Dort wird voraussichtlich im Dezember entschieden.

Hintergrund des Verbotsvorhabens sind eine Vielzahl politischer Kundgebungen der NPD sowie Aufmärsche rechter Kameradschaften in der historischen Altstadt. Touristen waren regelmäßig vom Marktplatz geflohen, wenn Kameradschaften dort aufmarschierten. Nach Angaben der Opferberatungsstelle „Lobbi e. V.“ war es am Rande von rechten Demonstationen zu Gewalttaten gekommen.

Kameradschaften haben Verfassungsschutzberichten zufolge auch eine örtliche Bürgerinitiative unterwandert. Der gelang es im vergangenen Jahr in dem 11.000-Einwohner-Städtchen, 2.000 Unterschriften gegen den Bau eines Asylbewerberheims zu sammeln. In der Stadtvertretung sitzt die NPD nicht, zu den Kommunalwahlen war sie nicht angetreten. Bei der Bundestagswahl kam die NPD in einem Ueckermünder Wahllokal auf 20 Prozent der Stimmen.

Für eine Stellungnahme waren Mitglieder des Fachausschusses gestern nicht erreichbar. Gegenüber dem in Neubrandenburg erscheinenden Nordkurier hatte der CDU-Stadtvertreter Roman Breß erklärt, der Beschluss solle eine rechtliche Handhabe gegen Naziaufmärsche schaffen und die Verwaltung „handlungsfähig“ machen. Linkspartei-Ausschussmitglied Manfred Quägber begründete sein Votum dem Blatt zufolge mit dem Argument, die Stadt habe „viel in den Marktplatz investiert“. Die Touristen, die sich dort aufhielten, wollten „nicht mit politischen Aktionen konfrontiert werden“.

Dierk Borstel, Mitarbeiter des Zentrums für Demokratische Kultur, sagte am Wochenende auf einer Konferenz der Bündnisgrünen im brandenburgischen Oranienburg: „Hier will die Demokratie sich selbst auflösen. Demokratisches Engagement gegen rechts ist etwas anderes.“ Statt Politik aus der Öffentlichkeit zu verbannen, sollten sich die demokratischen Parteien „inhaltlich mit rechtem Gedankengut auseinander setzen“. Bostel bezweifelte, dass das Verbot vor den Gerichten Bestand haben werde: „Die NPD könnte sich dann vor dem Verwaltungsgericht als Hüterin des Demonstrationsrechtes aufspielen.“