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Archiv-Artikel

Schlechte Schläfer, schlechte Schüler

SCHLAFSTÖRUNGEN Viele Eltern bekommen es gar nicht mit, wenn ihre Kinder schlecht schlafen. Sie wundern sich bloß, dass ihre Sprösslinge müde, unkonzentriert oder überdreht sind und in der Schule schlecht mitkommen

Schnarchen bei Kindern

■ Für eine im Januar 2010 beginnende Studie zum Schnarchen bei Kindern sucht die Universität Leipzig noch Teilnehmer im Alter von 5 bis 7 und von 13 bis 15 Jahren.

■ Das Sägen im Schlaf ist mehr als eine Belästigung: Regelmäßiges Schnarchen kann zu häufigen Erkältungen und Ohrentzündungen führen, die Entwicklung des Kindes stören und zu Konzentrationsmangel am Tag führen.

■ Die Leipziger Wissenschaftler wollen auch untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen gestörtem Schlaf und Übergewicht gibt.

■ Interessierte Eltern können sich an Kathrin Dittrich wenden. Telefon (03 41) 9 72 69 22

VON MARTINA JANNING

Sie sagen nichts. Das ist das Problem. Kinder klagen nicht, wenn sie schlecht geschlafen haben. Deshalb übersehen Eltern Schlafstörungen leicht – in rund 30 Prozent der Fälle bekommen die Mütter und Väter sie gar nicht mit, hat eine große Kölner Kinderschlafstudie ergeben. Das rächt sich spätestens in der Grundschule. Denn Kinder, die nicht ausgeschlafen sind, lernen deutlich schlechter als ihre Klassenkameraden, stellten die Forscher fest. Sie neigen außerdem eher zu Hyperaktivität und auffälligem Verhalten.

Fast jedes fünfte Grundschulkind schläft schlecht. Viele wachen nachts auf, andere schlummern schlecht ein, manche atmen unregelmäßig im Schlaf, haben Albträume oder schlafwandeln. „Am häufigsten treten Störungen beim Ein- und Durchschlafen auf“, erklärt Alfred Wiater, Chefarzt der Kinderklinik des Krankenhauses Köln-Porz und einer der Autoren der Kölner Studie. „Die Kinder kommen abends nicht zur Ruhe oder haben einen gestörten Schlafrhythmus mit häufigem Aufwachen und Problemen, wieder einzuschlafen.“

Dass ihr Sprössling schlecht schläft, können Eltern nicht nur daran bemerken, dass er tagsüber müde ist. „Insbesondere jüngere Kinder versuchen, gegen die Müdigkeit durch hyperaktives Verhalten anzukämpfen. Oft sind auch emotionale Probleme wie Ängste und depressive Verstimmungen zu beobachten“, sagt Kinderschlafexperte Wiater.

Eigentlich seien Kinder im Grundschulalter eher Morgenmenschen, berichtet Jürgen Zulley, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums an der Psychiatrischen Klinik der Universität Regensburg. Eltern sollten daher stutzig werden, wenn die Tochter oder der Sohn morgens lange braucht, um wach zu werden und nach dem Aufstehen schlaftrunken reagiert.

Auch wenn das Kind in seiner Entwicklung zurückbleibt oder oft krank ist, lohnt ein Gedanke an seine Nachtruhe. Denn länger anhaltende Schlafprobleme können „vielfältige organische Folgen haben wie Störungen im Wachstum und Schwächung des Immunsystems“, betont Wiater. Zudem bleiben Schlafschwierigkeiten oft erhalten: Rund 60 Prozent der Schlafstörungen dauern laut Wiater bis ins höhere Lebensalter an. Eltern sollten daher nicht lange zögern: Wenn das Kind tagsüber müde, unkonzentriert und hyperaktiv ist oder sich im Schlaf ungewöhnlich verhält, ist ein Besuch beim Kinderarzt sinnvoll. Auch wenn Schlafstörungen über drei Wochen hinweg mehrmals wöchentlich auftreten, sollten Eltern ärztlichen Rat einholen, urteilt Wiater. „Falls nötig, leitet der Arzt das Kind an ein Schlafmedizinisches Zentrum weiter.“

Einen wichtigen Grund für Schlafstörungen bei Kindern sieht Zulley in einer abendlichen Überreizung durch Fernsehen und Computerspiele. Die Bilder drängen in die kindliche Traumwelt und begünstigen Albträume; außerdem lassen sie Kinder schwer die nötige Ruhe zum Einschlafen finden. Aber auch Stress mit den Eltern und Geschwistern, mit der besten Freundin oder dem besten Freund oder Ärger und Überlastung in der Schule stehlen den Kleinen sehr oft den Schlaf.

Ein unterschätzter Störer der Nachtruhe ist Nikotin. „Passiv rauchen erschwert Kindern das Atmen im Schlaf. Sie schlafen daher unruhiger“, berichtet Zulley. Daneben können Belästigungen durch Lärm und Licht, aber auch Infekte oder chronische Krankheiten wie Asthma, Allergien oder verengte Atemwege den Schlaf stören.

Fernsehen und Computerspiele am Abend lassen Kinder nachts schlecht schlafen

Die gute Nachricht: Erholsamer Schlaf lässt sich Kindern schon ab dem Säuglingsalter antrainieren. „Wichtig ist ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus mit festen Zubettgehzeiten von Anfang an“, sagt Wiater. Es empfiehlt sich, auch am Wochenende besser nicht zu oft davon abzuweichen. „Der Tag sollte ruhig, ohne äußere Reize ausklingen“, rät der Experte. Kein Herumtoben, kein Fernsehen, keine PC-Spiele, keine Gruselgeschichten „Der Vater oder die Mutter sollte sich beim Zubettbringen ein paar Minuten Zeit nehmen – bei den Kleinen für ein Einschlafritual, bei größeren Kindern für geduldiges Zuhören und ein beruhigendes Gespräch.“ Wichtig sei eine positive Atmosphäre, betont Zulley: „Ins Bett gehen darf keine Strafe sein.“

Damit Kinder ungestört schlafen können, sollten Cola und andere koffeinhaltige Getränke am Abend ebenso tabu sein wie größere Mahlzeiten. „Ein Glas heiße Milch ist zum Einschlafen aber gut“, urteilt Zulley. Das Schlafzimmer sollte nicht zu warm sein – 16 bis 18 Grad Celsius halten Fachleute für ideal. Zulley: „Grundschulkinder haben oft noch Angst allein im Dunkeln. Beim Einschlafen kann es ihnen helfen, wenn die Tür einen Spaltbreit offen bleibt, damit sie die Geräusche der Familie leise hören können. Zum Schlafen ist ein diffuses Nachtlicht gut.“

Kinder im Grundschulalter brauchen im Schnitt knapp zehn Stunden Schlaf. Abweichungen davon sind aber normal. Außerdem gibt es verschiedene Schlaftypen: Das eine Kind gehört eher zu den sogenannten Lerchen, die abends früh müde werden, aber morgens relativ leicht aus dem Bett kommen. Ein anderes Kind ist eher ein Nachtmensch. Die sogenannten Eulen sind abends lange munter und steigen am Morgen nur mit Mühe aus den Federn. So weit es geht und der frühe Schulbeginn es zulässt, sollten Eltern die Bettzeiten an das Schlafverhalten ihres Kindes anpassen. Langschläfer müssen demnach früh ins Bett gehen, Kurzschläfer etwas später. Eulen dürfen ein wenig länger aufbleiben – das erspart zermürbendes Herumwälzen beim Einschlafen.