: berliner szenen Blaue Therapie-Robben
Nur laufen ist billiger
Heute wird ein guter Tag. Ich weiß das, weil ich gerade einen Wagen von Robben & Wientjes vor dem Brandenburger Tor gesehen habe. Er stand zwar an einer Ampel, aber er zählt trotzdem.
Ich habe ein neues System erstellt. Alles hängt davon ab, wie vielen Robben-&-Wientjes-Fahrzeugen man begegnet. Drei sieht man mindestens an einem Durchschnittstag in Berlin. Wie viele man sieht, hängt davon ab, in welchem Stadtteil man sich befindet. Deshalb zählen die Robben & Wientjes im Prenzlauer Berg zum Beispiel nur die Hälfte. Doppelte Punktzahl gibt es, wenn man ihnen an besonderen Orten begegnet. Irgendwo in dieser Stadt zwinkert einem immer diese niedliche, blaue Robbe zu. Vielleicht kommen einem deshalb sogar unbekannte Ecken seltsam vertraut vor.
Ich benutze dieses System zur Vergangenheitsbewältigung. Denn als ich vor zwei Jahren nach Berlin gezogen bin, habe ich mich in einen Mann verliebt, der unter Verfolgungswahn litt. Angeblich hatten es Herr Robben und Herr Wientjes auf ihn abgesehen. „Da, schon wieder“, hat er geflüstert, wann immer ein Robben-&-Wientjes-Auto auftauchte, und dann hat er sich versteckt. Hinter Bäumen, unter Tischen und hinter größeren Menschen.
Irgendwann hat er das Haus nicht mehr verlassen, sogar einkaufen musste ich für ihn. Er hat dann beschlossen, aus Berlin wegzuziehen. Zwei Monate hat er gebraucht, um seinen Umzug nach Hamburg zu planen. Seine Möbel hat er alle über eBay verkauft. Beim Abschied hat er seinen Rucksack geschultert, mir einen Kuss aufs Ohr gegeben und gewispert: „Nur laufen ist billiger.“ Dann ist er auf sein Fahrrad gestiegen und nach Hamburg geradelt. Wir haben den Kontakt abgebrochen. MAREIKE BARMEYER