Das Stipendium als Trostpflästerchen

Fallbeispiel Niedersachsen: Das Land will Studiengebühren einführen – und durch Stipendien sozial abfedern lassen

BERLIN taz ■ In Niedersachsen kommen die Studiengebühren häppchenweise. Ab dem nächsten Wintersemester müssen zunächst Studienanfänger 500 Euro pro Semester löhnen, ab Sommer 2007 zahlen dann alle 141.000 Studierenden. Oder beinahe alle. Erlassen bekommt die Gebühren nur, wer neben dem Studium noch Kinder großzieht oder pflegebedürftige Angehörige betreut.

Für klamme Studis soll es nun aber noch eine andere Chance geben. Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) will es den Universitäten freistellen, ob sie die Einnahmen aus den Studiengebühren auch dafür verwenden, Stipendien zu vergeben. Es wäre denkbar, meint der Minister, so besonders guten Nachwuchs nach Niedersachsen zu locken. Den Leistungsstärksten will Stratmann die neue Belastung wohl nicht zumuten – dem großen Rest aber schon. Die entsprechenden Pläne der Hochschulen sehen von Uni zu Uni unterschiedlich aus.

An der TU Clausthal gibt es bereits Stipendien. Die Industrie sponsert hier Maschinenbau-Studis. Allerdings nur, wenn sie möglichst schnell lernen. „Wer zurückbleibt, fällt aus dem Intensivstudiengang raus und verliert sein Stipendium“, sagt Jan Braun, Assistent des Präsidenten. Dieses Modell kann er sich auch für andere Fächer vorstellen. Die Uni sollte es aber nichts kosten, sagt Braun: „Das Geld dafür müsste aus der Industrie kommen.“ Das heißt: Für Studierende in Fächern, die bei der Wirtschaft auf geringes Interesse stoßen, sieht es in Clausthal mau aus.

Anders plant die Uni Hildesheim. Hier sollen die Jahrgangsbesten Stipendien erhalten – in allen Fächern. Finanziert aus den Gebühreneinnahmen. Die Förderung will Uni-Präsident Wolfgang-Uwe Friedrich zudem nicht darauf beschränken, nur Gebühren zu erlassen: „Wir sollten zusätzliche Anreize schaffen. Denkbar ist, den Stipendiaten 200 bis 300 Euro zusätzlich zu zahlen.“ In den Genuss der neuen Zuwendung könnten nur wenige kommen, räumt Friedrich ein: „Vielleicht fünf Prozent der Studierenden können wir auf diese Weise fördern.“ Neben den Leistungsstipendien will der Uni-Chef deshalb mehr Hilfskraft-Stellen und einen Sozialfonds für Härtefälle schaffen.

Die TU Braunschweig hat weitgehendere Pläne. Präsident Jürgen Hesselbach will nicht nur den Besten Stipendien geben, sondern auch Jungakademikern, die sich in der studentischen Selbstverwaltung engagieren: „Wir können nicht immer soziales Engagement fordern, und die Leute dann bestrafen, wenn sie sich noch um etwas anderes als ihr Studium kümmern.“

Auch einer dritten Gruppe will Hesselbach mit Stipendien helfen. Der Anteil ausländischer Studierender liegt an der TU Braunschweig bei 15 Prozent – viele aus Tunesien, Kamerun oder osteuropäischen Staaten, angelockt mit dem Versprechen eines gebührenfreien Studiums. Die ausländischen Studierenden bringen meist schon große Opfer, sodass eine Belastung besonders ungerecht wäre, sagt Hesselbach: „Für die müssen wir mit Stipendien unbedingt eine Übergangslösung schaffen.“

Und was machen angehende Akademiker, bei denen die Noten nicht für ein Leistungsstipendium reichen und auch keine Ausnahmeregelung greift? Entweder sie nehmen über die landeseigene Förderbank einen Kredit auf, so der Wille des Ministers, oder sie jobben noch mehr nebenher. Um mit ihren Gebühren die Stipendien für wenige Glückliche zu finanzieren. JAN PFAFF