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Archiv-Artikel

Trost für ein halbes Jahrhundert

KRISENHILFE Seit 50 Jahren bietet die Bremer Telefonseelsorge Hilfe bei sozialen und psychischen Notlagen

Die Anrufe spiegeln die gesellschaftliche Situation wider.

50 Jahre nach ihrer Gründung ist die Bremer Telefonseelsorge trotz wachsender Hilfsangebote im Internet massiv gefragt. Bis zu 30.000 Anrufer wählen nach Angaben ihres Leiters Frank Austermann jährlich die kostenfreie Rufnummer 0800/1110111. „Der Gesprächsbedarf ist konstant hoch“, sagte der Theologe, der mit einem Team von 60 ehrenamtlichen Seelsorgern zusammenarbeitet. „Wir beobachten immer wieder, wie unvorstellbar einsam viele Menschen sind, die bei uns anrufen.“

Zunehmend rufen Austermann zufolge ältere Menschen bei der Telefonseelsorge an. „Das freut uns, denn sie sind meist so aufgewachsen, dass man nicht klagt, sondern alles herunterschluckt.“ Das ändere sich nun. Die Anrufe spiegelten die gesellschaftliche Situation wider, so Austermann. Auffallend zugenommen hätten Gespräche über wirtschaftliche, soziale und finanzielle Notlagen. „Oft kommen zur materiellen Armut psychische Erkrankungen dazu.“ Wer arm sei, sich ausgeschlossen und nicht gebraucht fühle, laufe schneller Gefahr, unter diesen psychischen Belastungen krank zu werden.

Oft helfe es den Anrufern, ihre Verzweiflung am Hörer aussprechen zu können, „sich Luft zu machen oder in ihrer Einsamkeit eine menschliche Stimme zu hören“. Die Gespräche seien eine akute Soforthilfe, die entlaste. Patentrezepte in der Hilfe gebe es nicht. Auch Therapien biete die Telefonseelsorge nicht an. „Auf Wunsch empfehlen wir aber hilfreiche Adressen“, sagte Austermann.

Wer sich bei der Telefonseelsorge engagiert, hat eine einjährige kostenfreie Ausbildung absolviert. Wer sich qualifizieren lässt, verpflichtet sich zugleich, mindestens für zwei weitere Jahre etwa zwölf Stunden pro Monat bei der Hilfseinrichtung mitzuarbeiten. (epd)

Dienstag ab 19 Uhr: Jubiläumsfeier der Telefonseelsorge in der Kulturkirche St. Stephani, mit Festvortrag des Psychotherapeuten Hans Haack zum Thema „Chancen und Grenzen anonymer Beratung“