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Archiv-Artikel

Einstimmiges Verdikt

Demokratische Kräfte in der Türkei üben kaum Kritik am Verbot, weil sich PKK diskreditiert

ISTANBUL taz | Konflikte können nicht auf der Straße gelöst werden, mahnte Präsident Abdullah Gül, sondern nur im demokratischen Prozess. Das Urteil des Verfassungsgerichts zum Verbot der kurdischen DTP müsse akzeptiert werden. Es erstaunt, wie sehr sich auch die regierende AKP mit jedem Protest gegen das DTP-Verbot zurückhält. Ministerpräsident Tayyip Erdogan hatte zwar schon im Vorfeld der Urteilsverkündung erklärt, er halte Parteienverbote generell für nicht hilfreich, aber das war es dann auch schon. Tatsächlich fiel das Verdikt der Richter am Freitagabend einstimmig aus, also auch der Teil der Richter, die eher der Regierung als der nationalistischen Opposition zuneigen, stimmte für das Verbot.

Wesentlich dazu beigetragen hatte die PKK mit einem blutigen Anschlag nur zwei Tage vor der Urteilsverkündung, bei dem sie einen Militärtransporter angriff und sieben Wehrpflichtige erschoss. Der Anschlag erklärt auch, warum Erdogan stumm blieb. Er fühlt sich von der kurdischen Seite offenbar vorgeführt, nachdem er mit seiner Initiative für eine politische Lösung der kurdischen Frage zuvor eine hohes Risiko eingegangen war. Ob die Regierung nun weiterhin daran festhält, durch Reformen und Zugeständnisse an die kurdische Minderheit den Bürgerkrieg auszutrocknen, indem man versucht, Angehörige der PKK durch Reintegrationsangebote von den Bergen herunterzuholen, ist im Moment offen. Lediglich die kurdischen Abgeordneten der AKP trafen sich ad hoc, um die Parteiführung zu beschwören, an den vorgesehenen Reformen festzuhalten.

Die Stimmung für solche Schritte ist im Keller. Nirgendwo in Istanbul oder Ankara gab es Demonstrationen demokratisch gesinnter Bürger gegen das Parteiverbot. Stattdessen schlug die Stunde der Hardliner. Während kurdische Jugendliche ihren Frust mit Molotowcocktails austobten, veranstaltete die ultrarechte nationalistische MHP in Ankara eine Großdemonstration, auf der sie das Verbot der DTP feierte. JÜRGEN GOTTSCHLICH