: „Irrweg Konkurrenzföderalismus“
Die künftige KMK-Präsidentin Erdsiek-Rave sieht die kleinen Bundesländer durch die Föderalismusreform schwer benachteiligt. Ernsthafte Mobilitätsprobleme für Wissenschaftler
taz: Frau Erdsiek-Rave, der Bund soll nicht nur bei Schulen, sondern auch bei Hochschulen nichts mehr zu sagen haben. Ist das zukunftsfähig?
Ute Erdsiek-Rave: Die Länder haben da noch ein Wort mitzureden. Das finde ich auch dringend notwendig, denn die neuen Regelungen hätten enorme Konsequenzen für die finanzschwachen unter uns.
Warum?
Nehmen sie das Tarif- und Besoldungsrecht, das in Händen der Länder läge. Das ist hochproblematisch für die kleineren Länder, weil sie in einem Besoldungswettlauf keine Chance gegen die Großen haben. Wir bekämen ernsthafte Moblitätsprobleme für die Wissenschaftler. Ich weiß nicht, ob alle Länder das mittragen.
Wie kann man verhindern, dass die Kleinen abgehängt werden?
Man müsste ein Verfahren finden, um die Unterschiede auszugleichen.
Der neue Föderalismus soll aber einer des Wettbewerbs werden.
Der reine Wettbewerbsföderalismus ist ein Irrweg. Es gibt immer Länder, die stärker sind als andere. Das darf aber nicht zu einer Verzerrung der Lebensverhältnisse und zu großer Ungleichheit zwischen den Ländern führen.
Der Bund konnte bislang den Ländern helfen. Etwa mit einem so wuchtigen Finanzprogramm wie dem für Ganztagsschulen. In Zukunft ginge das nicht mehr. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?
Ich habe dieses Programm immer begrüßt. Wegen des geringen Finanzierungsanteils der Länder haben gerade die kleinen Bundesländer davon besonders profitiert. Dass das in Zukunft überhaupt nicht mehr möglich sein soll bedauere ich. Mit dem steilen Anstieg der Studierendenzahlen stehen uns Ländern erhebliche Finanzierungsprobleme ins Haus. Eine Unterstützung durch den Bund wäre künftig nicht mehr möglich. Obwohl alle, Bund und Länder, eine steigende Studierendenquote wollen.
Rahmengesetze soll es nicht mehr geben. Die Länder können bei Unizulassung und -abschlüssen Abweichendes beschließen. Was heißt das?
Die Konferenz der Kultusminister muss auf vielen Gebieten eine stärkere Funktion übernehmen.
Da können Sie sich glücklich schätzen. Als zukünftige Chefin der Kultusminister haben Sie mehr zu sagen.
Nicht ich als Präsidentin, sondern die Konferenz als Ganzes. Wir werden vor neue Herausforderungen gestellt. Eine schwierige Aufgabe, für die auch jede Menge guter Wille gebraucht wird.
INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER