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Archiv-Artikel

Orte des Dialogs

ÜBERBLICK In Berlin gibt es mehr chinesische Kunst zu sehen, als man denkt

Wie durch Milchglas gesehen wirkten die Bilder, wie versunken im Nebel des Vergessens

Der chinesische Kunstmarkt boomt, heißt es. Ai Weiwei, der chinesische Aktionskünstler, der vergangenes Jahr mehrere Wochen in Haft war und seither unter Hausarrest steht, ist in aller Munde. Und nun gibt es auch noch in der Universität der Künste (UdK) eine Veranstaltungsreihe zum Thema. Wie aber sieht es sonst mit chinesischer Kunst in der Stadt aus? Man muss ein wenig genauer hinsehen, aber dann fällt es nicht schwer, an vielen Orten chinesische Kunst zu entdecken – mehr chinesische Kunst jedenfalls als Kunst aus anderen fernen Ländern, die man noch vor Kurzem als exotisch bezeichnet hätte.

Allen voran muss man die Galerie Alexander Ochs in der Besselstraße nennen. 1997 gründete der ehemalige Buchhändler Ochs seine Galerie für chinesische und später andere ostasiatische Künstler, 2004 folgte die Eröffnung der ersten Galerie in Peking, die er 2008 der chinesischen Künstlerin Tian Yuan übergab. In Peking entstanden auch die ersten Dialogreihen zwischen chinesischen Künstlern wie Fang Lijun oder Yang Shaobin auf der einen und deutschen Künstlern wie Jörg Immendorff oder A. R. Penck auf der anderen Seite. Daraus entwickelte sich später ein „artist in residence“-Programm für Künstlerinnen und Künstler aus Europa und China. Eine der eindrücklichsten Ausstellungen war die des Zyklus „Des Künstlers Jugendzeit“. Als Vorlage für seine großformatigen monochromen Ölbilder orientierte sich der chinesische Künstler Li Luming an Fotos aus dem Familienalbum aus der Zeit der Kulturrevolution. Wie durch dickes Milchglas gesehen wirkten diese Bilder, wie versunken im Nebel des Vergessens. Im Augenblick gibt es bei Alexander Ochs leider keine chinesische Kunst zu sehen, sondern „nur“ eine Gruppenausstellung deutscher Künstler.

Neben anderen Galerien und Veranstaltungsorten wie dem Haus der Kulturen der Welt und der Galerie Volker Diehl, die immer wieder chinesische Künstler zeigen, eröffnete genau vor einem Jahr auch die erste chinesische Galerie in Europa, die von einer chinesischen Galeristin geführt wird: von der 31-jährigen Gaowen Zhu. Zhu hat sich nach eigener Auskunft für Berlin entschieden, weil ihr die „vielfältige Kunstszene“ so gut gefällt – und trotz der Tatsache, dass hier zwar viele Künstler, aber wenige Sammler wohnen.

Ihr Programmschwerpunkt sind Künstler, die nach 1970 geboren wurden, also jene Generation, die die Demokratiebewegung und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens oft nicht mehr als persönlichen Einschnitt erlebten und die in Deutschland bisher noch keine Plattform hat. Im Augenblick kann man dort die fragilen und zerbrechlichen Landschaftsbilder des 1974 geborenen chinesischen Künstlers Wang Yabin sehen.

Schließlich gibt es noch eine chinesische Galerie, die demnächst im Pfefferberg einziehen könnte. Dort haben chinesische Investoren aus Hongkong schon Anfang des vergangenen Jahres einen ehemaligen Gärkeller der Brauerei gekauft. Schon bald sollen auch dort Ausstellungen zeitgenössischer Künstler aus China zu sehen sein – wann genau, steht bislang allerdings noch in den Sternen. SUSANNE MESSMER

■ Alexander Ochs Galleries Berlin, Besselstr. 14. Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 11 bis 18 Uhr. Zhong Gallery, Koppenplatz 5, Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 11 bis 18 Uhr