Die Söhne

„Schattenväter“. Regie: Doris Metz, Deutschland 2005, 93 Min.

Zeitzeugenberichte in historischen Dokumentarfilmen machen es möglich, das Verständnis weltpolitischer Ereignisse durch die ganz private Perspektive einzelner Menschen zu brechen. In ihrer Dokumentation „Schattenväter“ hat sich die Regisseurin Doris Metz der mehr als 30 Jahre zurückliegenden Guillaume-Affäre angenommen und beleuchtet die familiäre Kehrseite des deutsch-deutschen Agentendramas.

Ihre Gesprächspartner sind die beiden Söhne der damaligen politischen Hauptfiguren, der Schauspieler Matthias Brandt und der Fotograf und Medienproduzent Pierre Boom. In alternierenden Einzelinterviews zeigt Metz, wie sich der 1974 als Kanzler zurückgetretene Willy Brandt und sein als DDR-Spion enttarnter Berater Günter Guillaume durch den Blick der kindlichen Erinnerung auf etwas Gemeinsames reduzieren lassen. Denn was die geteilten deutschen Biografien der Söhne motivisch verbindet, ist das Leiden an der Unnahbarkeit der Väter.

Matthias Brandt zeichnet seinen Vater ebenso als entrückte Gestalt wie als großes sensibles Kind. Anekdotisch erinnert er sich an einen gescheiterten Fahrradausflug mit dem politischen Kontrahenten Herbert Wehner: Schon nach wenigen Metern sei Willy Brandt schlingernd und schwankend in ein Gemüsebeet gefahren, habe das neue Rad noch einmal hingeschmissen und sei dann wortlos verschwunden. Wenn Matthias Brandt die persönlichen Beziehungen seines Vaters als distanziert und rätselhaft beschreibt, scheint er sich selber darin einzuschließen: „Menschen, die nicht mehr in sein Leben passten, wurden beseitigt. Über die durfte nicht mehr gesprochen werden.“ Zur Versöhnung kam es erst am Sterbebett des Vaters.

Einen größeren Lebenseinschnitt bedeutete die Spionageaffäre für Pierre Boom, den Sohn Günter Guillaumes. Der damals 17-jährige Bonner Gymnasiast war plötzlich ein Agentenkind, das nach der Inhaftierung der Eltern alleine in die ihm völlig fremde DDR geholt wurde und sich im sozialistischen Alltag nicht zurechtfand. Das in östlichen Geheimdienstkreisen hoch gefeierte Ehepaar Guillaume ließ sich nach der Rückkehr in die DDR scheiden; Pierre Guillaume reiste 1988 in die BRD aus und nahm den Geburtsnamen seiner Mutter an. Mit dem Vater kam es zu keiner Aussprache mehr.

In der Schlussszene stehen die beiden Söhne nebeneinander, den Rücken zur Kamera. Sie blicken auf den Rhein und schweigen. Für sich selbst weisen sie ganz unsentimental zurück, was die Regisseurin den Zuschauern nahe legen will: durch ein gemeinsames biografisches Verhängnis miteinander verbunden zu sein. JAN-HENDRIK WULF