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Archiv-Artikel

Linke hält Kandidatur für Vizeposten offen

Bisky sieht Niederlage als Urteil über ostdeutsche Biografie. Streit um Gysis Vergleich mit Kanzlerwahl Kiesingers

BERLIN afp/taz ■ Die Linkspartei schließt nach der Niederlage von Parteichef Lothar Bisky bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten eine erneute Kandidatur zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus. „Wir haben nicht gesagt, dass wir auf immer und ewig dieses Mandat nicht wahrnehmen“, sagte gestern Fraktionsvize Bodo Ramelow. Indes sei Bisky der Einzige, „der bei uns das Recht hat, über so etwas nachzudenken“. Wenn jetzt rasch ein neuer Kandidat benannt würde, würde das diesen ebenso wie Bisky beschädigen. „Deswegen haben wir uns selber jetzt eine Denkpause verordnet und sagen, es hat auch Zeit.“

Bisky selbst bezeichnete seine Niederlage als „ein Urteil über eine ostdeutsche Biografie, wie ich sie habe“. Er stehe „für so eine Art von loyalem DDR-Bürger“, der aber nicht unkritisch gewesen sei. Das sei eine Biografie, mit der sich viele im Osten identifizieren könnten. Zur scharfen Kritik seines Fraktionskollegen Gregor Gysi wollte Bisky sich nicht äußern. Gysi hatte daran erinnert, dass die Bundestagsabgeordneten 1966 ohne Zögern das frühere NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger zum Kanzler gewählt hätten. Biskys Fehler habe offenbar darin bestanden, „in seiner Jugend nicht ‚Mein Kampf‘ von Adolf Hitler gelesen“ zu haben und davon „auch nicht begeistert“ gewesen zu sein.

Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sieht die Arbeit im Präsidium durch den vorläufigen Verzicht der Linkspartei nicht gefährdet. „Man soll sich keine Sorge machen über die Stabilität“, sagt sie. „Arbeitsfähig wird das Präsidium sein, zufrieden bin ich damit nicht.“ Sie verwies darauf, dass die Linkspartei im Ältestenrat des Parlaments vertreten sei. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß äußerte die Erwartung, dass Bisky durch die Niederlage zum Märtyrer werde und die Linkspartei gestärkt werde. „Das ist nicht gut für unser Land.“