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Archiv-Artikel

Strategischer „Spurwechsel“ bei der Linkspartei

TAKTIK Im Wahlkampf will die Partei SPD und Grünen keine Regierungsangebote mehr machen

„Die SPD will uns raushalten aus dem Parlament“

LINKE-VORSITZENDE KATJA KIPPING

BERLIN taz/dapd/afp | Die Linkspartei will offenbar ihre Wahltaktik ändern. Parteiführung und Bundestagsfraktion haben sich laut Tagesspiegel darauf verständigt, SPD und Grünen künftig keine Angebote für eine Regierungszusammenarbeit im Bund mehr zu machen. Stattdessen solle mehr auf Eigenständigkeit gesetzt werden.

Die Parteivorsitzende Katja Kipping sagt gegenüber der taz: „Wir haben gemerkt, dass es uns argumentativ überhaupt nicht weiterhilft, in diesen arithmetischen Existenzbeweis zu gehen. Argumente wie ‚Nur mit uns hätte Rot-Grün eine Mehrheit‘ tragen nicht mehr.“ Im Niedersachsen-Wahlkampf hatte die Linke mit diesem Argument um Stimmen geworben. Dennoch fiel sie von 7,1 auf 3,1 Prozent und flog aus dem Landtag.

Kipping will den Strategiewechsel nicht als „Hundertachtziggradwende zur Protest- und Abgrenzungspartei“ verstanden wissen, „sondern eher als ein Spurwechsel. Wenn die Bundes-SPD sagt, jede Stimme für die Linke sei eine verschenkte Stimme, heißt das, sie setzen nicht nur darauf, unabhängig von uns eine Mehrheit zu bekommen. Sie wollen uns raushalten aus dem Parlament.“ Das sei keine Grundlage für eine Zusammenarbeit.

Ihr Ko-Chef Bernd Riexinger sagte dem Tagesspiegel, die Linke dürfe sich nicht abhängig machen von Umfragekonjunkturen, sich aber auch nicht in eine linkssektiererische Ecke drängen lassen. Führende Linken-Politiker hatten in der Vergangenheit mehrfach angeboten, an der Ablösung von Schwarz-Gelb nach der Bundestagswahl mitzuwirken. Jüngsten Meinungsumfragen zufolge hätte Rot-Grün keine Mehrheit.

Fraktionschef Gregor Gysi sagte am Mittwoch in Berlin, die Wähler müssten erkennen, dass nur die Linke konsequent und zuverlässig für Sozial- und Friedenspolitik eintrete. In diesen beiden Politikfeldern sei seine Partei „unnachgiebig“. Als Beispiele nannte er den Afghanistan-Einsatz und die Rente mit 67. Gysi betonte: „Unser Wert besteht darin, dass wir den Widerspruch artikulieren.“

Für die Linke komme es im Wahlkampf darauf an, die inhaltlichen Unterschiede zu anderen linken Parteien deutlich zu machen. Seine Partei werde sich von SPD und Grünen jedenfalls nicht instrumentalisieren lassen.

Gysi räumte ein, dass die Linke im Falle einer Koalitionsbeteiligung zu Kompromissen gezwungen wäre. Entscheidend sei in einem solchen Fall, dass ein echter Politikwechsel ermöglicht werde. So lehne seine Partei deutsche Waffenexporte in den Nahen Osten beispielsweise kategorisch ab. Als aktuelle „Schwäche“ der Linken nannte Gysi, dass seiner Partei keine wirtschaftliche Kompetenz zuerkannt werde. ANJA MAIER