: Hamburg killt den Volksentscheid
Bürgerinitiativen werfen dem Senat und der CDU-Bürgerschaftsmehrheit vor, sie respektierten die direkte Demokratie nicht: Hunderttausenden von Hamburgern sei auf diese Weise „vors Schienbein getreten“ worden. Breite Palette an Tricks
von Gernot Knödler
Das Bündnis für den Volksentscheid hat dem Senat und der ihn tragenden CDU vorgeworfen, das Volk zu brüskieren und es an demokratischem Geist fehlen zu lassen. Wenn beide das Ergebnis von Bürger- oder Volksbegehren nicht gerade ignorierten, so versuchten sie, deren Ergebnisse zu verfälschen oder die Umsetzung zu verschleppen, kritisierten die rund 30 Initiativen und Organisationen, die selbst Volks- und Bürgerbegehren initiiert und unterstützt haben. Den meisten Hamburgern, die für ein Bürger- oder Volksbegehren mit Ja gestimmt hätten, sei vom Senat und der Bürgerschaftsmehrheit „vors Schienbein getreten“ worden, stellte Jürgen Mackensen von der Patriotischen Gesellschaft fest. Darunter seien auch viele CDU-Wähler gewesen.
Während die Volksgesetzgebung auf Seiten der Bürger großen Zuspruch fand, taten sich die Politiker und Parteien erkennbar schwer mit der neuen Macht des Volkes. Seit der Erleichterung der Volksgesetzgebung und der Einführung von Bürgerentscheiden 1998 sind insgesamt fast 3,8 Millionen Ja-Stimmen einschließlich Unterschriften im Rahmen der Volksgesetzgebung auf Landes- und Bezirksebene abgegeben worden. Die meisten, gut 3,6 Millionen, auf Landesebene.
Demgegenüber wird über acht von zehn zu Stande gekommenen Volksentscheiden gestritten. Lediglich die Initiativen „Sonntagsöffnung von Videotheken“ (2000) und „Rettet den Rosengarten“ (2003) gingen glatt durch, und zwar schon nach der ersten von insgesamt drei Verfahrensstufen. „Ob eine Initiative erfolgreich wurde, war in der Vergangenheit viel zu sehr davon abhängig, ob sie der Position des Senats und der Bürgerschaftsmehrheit entsprach“, findet Klaus-Dieter Schwettscher von der Gewerkschaft ver.di.
Die Liste der Volksinitiativen, die dem Senat nicht passen, ist lang: Die 1998 durchgesetzte Erleichterung der Volksgesetzgebung hat der CDU-Senat wieder erschwert. Dagegen läuft jetzt das Volksbegehren „Hamburg rettet den Volksentscheid“.
Die zeitgleich eingeführten Bürgerentscheide auf Bezirksebene werden gerne unterlaufen. Exemplarisch hierfür sind die acht erfolgreichen Bürgerbegehren, die der Runde Tisch Walddörfer unterstützt hat. Vier davon hat der Senat „evoziert“, das heißt zu Angelegenheiten von gesamtstädtischer Bedeutung erklärt und damit dem Bezirksvotum entzogen. Zwei haben das Verwaltungsgericht angerufen.
Ein beliebter Trick, Bürgerbegehren politisch stillzulegen, wenn der Senat evoziert hat, ist die Übernahme durch eine Mehrheit in der Bezirksversammlung, die eigentlich das Gegenteil will. Auf diese Weise lässt sich ein für den Senat peinlicher Bürgerentscheid im Sinne der Initiative vermeiden.
Sollte sich eine Initiative per Entscheid durchsetzen, kann sie ausgebremst werden. So schiebt die Bezirksversammlung Wandsbek unter Beteiligung der SPD seit anderthalb Jahren die geforderte Erhaltungssatzung für die Matthias-Strenge-Siedlung auf die lange Bank.
Möglich ist auch eine Einigung mit der Ini, die die Politik dann verfälscht, etwa im Fall der Kita-Reform. Der Senat habe zwar zusätzliche Plätze geschaffen, zugleich aber am Budget gespart. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass der Senat dem Geiste nach anders handelt“, sagt Ties Rabe (SPD) von der Initiative.