: Bezirksamt will sich mit Besetzern vertragen
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg bietet den Besetzern des Künstlerhauses Bethanien überraschend einen befristeten Mietvertrag an. Die eigentlich gewünschte Räumung durch die Polizei ist an deren Widerstand gescheitert
Die Räumung des teilbesetzten Künstlerhauses Bethanien schient vorerst vom Tisch. Wie das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gestern überraschend mitteilte, soll dem Wohnprojekt im Südflügel des Hauses ein befristeter Nutzungsvertrag angeboten werden. Dieser gelte, bis über das laufende Bürgerbegehren gegen den Verkauf des Hauses entschieden sei. Das kann länger als sechs Monate dauern. Der Vertrag müsse zudem eine „vollstreckbare Räumungsverpflichtung nach Ende der Vertragslaufzeit“ enthalten, hieß es weiter in der Mitteilung.
Damit gesteht der Bezirk ein, dass die erst in der vergangenen Woche mit Stimmen von Linkspartei und SPD beschlossene Räumung derzeit kaum durchführbar ist. Ein rechtssicherer Weg würde Monate in Anspruch nehmen, heißt es in der Mitteilung des Bezirksamts.
Das Begehren des Bezirks war zuvor an der Haltung der Polizei gescheitert. Eine unkomplizierte Räumung nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) sei nur direkt nach der Besetzung oder bei Straftaten aus dem besetzten Haus heraus möglich, erklärte Polizeijustiziar Oliver Tölle der taz. „Hier aber haben wir eine über vier Monate andauernde Besetzung, die geduldet wurde.“ Deshalb sehe er keine Veranlassung, dass die Polizei von sich aus aktiv werde solle. Vielmehr müsse die Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) als Eigentümerin des Bethanien einen Strafantrag stellen, damit „die Justiz prüfen kann, ob es sich um Hausfriedensbruch handle oder nicht“, gab Tölle den weiteren Weg vor. Dabei wiege die Justiz auch Rechtsgüter wie drohende Obdachlosigkeit und nachfolgenden weiteren Leerstand der Räume ab. Erst wenn das Bezirksamt einen richterlichen Räumungsbeschluss habe, „kann es um Vollzugshilfe bitten“, und dem könne sich die Polizei dann nicht verschließen.
Mit dieser Auffassung schließt sich der Polizeijustiziar fast wörtlich der Argumentation von Hausbesetzern an, die die Räumungen Mitte der 90er-Jahre stets als illegal bezeichnet hatten. Damals waren sie jedoch bei Polizei und Innenverwaltung auf taube Ohren gestoßen. Erst im Juli 2003 gab das Verwaltungsgerichts Berlin der Klage von ehemaligen Bewohner der Rigaer Straße 80 in Friedrichshain Recht. Die Polizei hatte die Räumung des langjährig besetzten Hauses im Sommer 1997 nach den Bestimmungen des Asog vollzogen. Das wurde im Nachhinein für illegal erklärt. Auch für Hausbesetzer gelte das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, urteilte das Verwaltungsgericht. Persönlich hatte der Kläger nichts mehr von dem späten Rechtssieg. Die nächste Generation der Hausbesetzer kann nun aber von seinem langen Atem profitieren.
Das Bezirksamt will den Vertrag nicht direkt mit den Besetzern des Bethanien abschließen. Das Angebot eines „Nutzungsvertrages mit Entgelt“ richte sich vielmehr an die Initiative Bürgerbegehren. Die soll die derzeit besetzten zwei Etagen anmieten. Eines der beiden Stockwerke sollen die Nutzer aber auf jeden Fall spätestens zwischen März und Mitte Juli selber räumen. Denn für diesen Zeitraum hat der Bezirk das Haus schon den Initiatoren der „StreetFootballworld“ versprochen. Die soll parallel zur Fußball-WM im kommenden Sommer auf dem Mariannenplatz stattfinden. 240 Kinder und Jugendliche, die an dem ersten Straßenfußball-Weltturnier teilnehmen wollen, sollen im Künstlerhaus untergebracht werden.
Ob die Initiative Bürgerbegehren auf das Angebot eingeht, war gestern noch unklar. Man wolle den Vorschlag eingehen prüfen, hieß es. Christoph Villinger