Harte Jungs wollen auch gut kochen können

Hip, cool oder empfindsam: Im Jugendtreff „Grenzräume“ im Wrangelkiez finden Jungen heraus, wer sie sein wollen

Mit hippen Baseballmützen und Pokerface demonstrieren die Jungs im Jugendtreff „Grenzräume“ Stärke. „Die Jugendlichen grenzen sich so gegen Eigenschaften ab, die für sie unmännlich sind – zum Beispiel Schwäche, Angst oder Schwulsein“ sagt Michael Mamczek. Der Sozialpädagoge hat die Jungenarbeit im Wrangelkiez aufgebaut.

In den Grenzräumen eröffnet er mit seiner Kollegin Ute Strampfer Jungen Räume der Selbsterfahrung, in denen sie männliche Rollenerwartungen hinterfragen können. Dabei bewältigen die Jungen eine doppelte Herausforderung. Fast alle stammen aus Familien mit Migrationshintergrund. „In Gruppenarbeit und Einzelgesprächen bemühen wir uns, den Jungen auch für ihren schulischen und beruflichen Werdegang Hilfen zu geben“, sagt Strampfer. Dazu arbeiten die Grenzräume eng mit der Eberhard-Klein-Schule, die alle Jungen besuchen, und mit dem Jugendamt zusammen.

Neben der Jungen- gibt es auch Mädchenarbeit in den Grenzräumen, deren Träger der Verband Deutsche Schreberjugend ist. Wenn die Schüler nach Unterrichtsschluss in die Grenzräume kommen, begrüßen sie die Sozialpädagogen mit Handschlag. Eines der vielen kleinen Rituale, die ihnen helfen sollen, selbstbewusst Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Dann spielen sie am Kickertisch, oder entspannen sich erst mal im Wohnzimmer, fläzen sich in einen Sessel oder hören Musik.

Um bei der Jungenarbeit mitmachen zu können, schließen die Jugendlichen selbst einen Vertrag mit Grenzräume. „Anders als bei der Jugendhilfe, die sich über die Eltern an Kinder richtet und deren Einverständnis voraussetzt, räumt der Paragraph 13 des Kinderhilfejugendgesetzes 15-Jährigen und Älteren ein, eigenverantwortlich eine Unterstützung wahrzunehmen“, sagt Sozialpädagoge Mamczek.

Nachmittags versammeln sich neun Jungen um einen runden Tisch. „Experimentiere mit dir“ oder „Äußere deine Interessen“, steht auf der gelben Wand geschrieben. Sprüche, die Themen umreißen, die die Jungen beschäftigen. Trotz harter Schale fehlt es vielen Jungen an Selbstbewusstsein. Nicht jeder traut sich, gegenüber seinen Kumpels oder in der Familie aus der Rolle zu fallen. In den Grenzräumen ist das möglich. „Im spielerischen Umgang können die Jungen herausfinden, wer sie gerne als Mann sein möchten, wie sie mit Frauen und anderen Menschen zusammenleben“, erzählt Mamczek. „Oft haben die Jungen gar keine Vorstellung von sich selbst und nehmen einfach nur eine Antihaltung gegen alle ‚weichen‘ Eigenschaften wie gefühlvoll, innig oder verständnisvoll ein.“

Auf Zetteln notieren die Jungs, was männlich ist. Stark, mutig, kräftig oder Bartwuchs fallen ihnen ein. Dann suchen sie Eigenschaften, die sie auch als wünschenswert betrachten. Im anschließenden Spiel können sich die Jungen Begriffe ersteigern, alles, was für sie einen Mann ausmacht. Der Eine bietet fast sein ganzes Spielgeld dafür, gut mit Kindern umgehen zu können. Dabei sind Coolness und Stärke ebenso gefragt wie, ja, gut kochen zu können. JÖRG BRAUSE