: Völkerverbindender Budenzauber
FUSSBALL Zum ersten Internationalen Turbine Hallencup treffen sich acht europäische Spitzenteams in Potsdam
VON JENS UTHOFF
Es ist ein besonderes Aufeinandertreffen. Die beiden Clubs, deren Spielerinnen sich hier auf dem Potsdamer Kunstrasen duellieren, standen sich bereits in den frühen 80ern gegenüber: als CSSR-Meister und „DDR-Bester“. Frauenfußball hielt man zu dieser Zeit für eine kurzfristige Verirrung, internationale Spiele waren selbst in den in dieser Hinsicht weiteren Warschauer Pakt-Staaten rarer als Südfrüchte. Turbine Potsdam und Sparta Prag waren absolute Ausnahmen, heute sagt man: Pionierinnen der Disziplin.
Einziges Überbleibsel dieser Zeit ist Potsdams Trainer Bernd Schröder. „Der ist ganz schön nervös wegen dieses Turniers“, verrät die verletzte Kapitänin Jennifer Zietz, „es erwarten ja auch alle, dass wir gewinnen.“ Am Ende scheiterten sie denkbar knapp: In einem Finale der beiden alles überragenden Teams des Turniers unterlag Turbine gegen Bröndby IF Kopenhagen mit 3:4 – das Spiel wurde durch einen Neunmeter für die Däninnen entschieden. Die beiden Duelle der Ost-Avantgarde gegen Prag in der Vorrunde hatte Turbine hingegen für sich entscheiden können (4:1, 5:0).
Eine würdige Besetzung, ein packendes Finish: Der erste „Internationalen Turbine Hallencup“, der am Wochenende in der Arena am Luftschiffhafen über die Bühne ging, feierte eine gelungene Premiere. Acht europäische Spitzenteams waren am Start, es war die erste Auflage eines derartigen Turniers in Europa. Mit Turbine, Prag, Glasgow City, Bröndby IF Kopenhagen und Neulengbach (Österreich), die am Ende Dritter wurden, nahmen gleich fünf Landesmeister teil. Knapp 2.000 Zuschauer kamen an beiden Tagen zum Cup.
Die Austragung des Cups soll zur Tradition werden – er könnte dem Frauenfußball in der Region einen weiteren Schub geben. Turbine-Coach Schröder sieht das Turnier auch als Dankeschön an die internationalen Mitstreiterinnen, die Turbine durch schwere Frauenfußball-Zeiten seit der Vereinsgründung 1971 begleitet haben – wie eben die Prager. Es biete die Möglichkeit, den „völkerverbindenden Gedanken des Sports“ mal wieder in den Vordergrund zu stellen.
Schröder sah man während des Turniers die oben erwähnte Anspannung an. Brüllend, fluchend und gegen die Bande klopfend stand der 70-Jährige neben dem Turbine-Tor. Und auch sein Team wirkte zunächst nervös. Mitte Januar hatte man mit dem DFB-Hallenpokal in Magdeburg den ersten Titel des Jahres geholt, die Favoritenbürde war umso größer. „Man muss auch mit der Stimmung klarkommen“, sagte Zietz. Die war zwar hervorragend, aber die Forderung der Fans eben auch deutlich: Hier gewinnt nur einer – Turbine.
Die Potsdamerinnen steigerten sich nach einem hektischem Beginn. Zunächst reichte es gegen die Österreicherinnen aus Neulengbach nur zu einem 2:2, man hätte gar verlieren können, so fahrig, wie das Team agierte. Dann schoss Turbine sich warm: In Wroclaw fand man beim 5:0 den richtigen Aufbaugegner, gegen Prag gewann Potsdam deutlich. Und beim 3:0 im Rückspiel gegen Neulengbach zeigte das Team erstmals, über welch hohe Qualitäten es verfügt. Etwa mit der quirligen japanischen Weltmeisterin Yuki Ogimi, mit Mittelfeldspielerin Jessica Cramer oder der starken Schwedin Antonia Göransson. Und natürlich Stürmerin Genoveva Anomna. Am zweiten Turniertag holte Turbine den Gruppensieg souverän mit zwei weiteren Siegen.
In der 4-1-Besetzung auf dem Kleinfeld hatte Schröder die Qual der Wahl bei der Aufstellung. Er ließ vor allem die Neuen lange auf dem Feld: Ada Hegerberg, der erst 17-jährige Neuzugang aus Norwegen, hinterließ dabei einen viel versprechenden Eindruck. Wie Schwester Andrine, ebenfalls im Winter gekommen, wird sie aber wohl vorerst Ergänzungsspielerin bleiben.
Noch ein Geschwisterpaar wird in Potsdam vereint: Zur Rückrunde verpflichtete Turbine mit der 24-jährigen Asano Nagasato die jüngere Schwester der Leistungsträgerin Ogimi. Deren Vertrag läuft im Sommer aus, vielleicht soll die kleine Schwester sie gar ersetzen.
Was bleibt von den diesen beiden Turniertagen? Turbine untermauerte den Anspruch, auch in Europa wieder ganz oben mitspielen zu wollen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass der arg aus der Mode geratene Budenzauber – so der Kosename für den Hallenfußball – vor Ort genauso viel Reiz entwickeln kann wie der Spaß auf Naturrasen. Nur täte dem Spiel in der Halle, das nur noch sehr vereinzelt stattfindet und völlig andere Anforderungen stellt, ein wenig mehr Vorlauf gut: Manche Teams wirkten wenig eingespielt. Gerade in den unteren Klassen der Männer und bei den Frauen, wo nicht selten Spiele in der verkürzten Winterpause ausfallen, ist eine Renaissance des Budenzaubers aber vielleicht doch einen Gedanken wert.