Die Regisseure hinter den Kulissen

BERLINALE Heute beginnt das Festival. Wer sorgt dafür, dass die Stars über den roten Teppich und auf der Leinwand tolle Filme laufen?

■ Heute Abend werden die 63. Internationalen Filmfestspiele eröffnet. Bis 17. Februar laufen rund 400 Filme, mehr als 400.000 Besucher werden erwartet. Die Vergabe der Silbernen und Goldenen Bären erfolgt am 16. Februar.

■ Hochwertige Fernsehserien würden bei der Berlinale und anderen Filmfestivals nicht genügend Beachtung finden, meint der Chef der Berliner Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD). „Wir müssen diesen Bereich erschließen. Qualitativ hochwertige Serien können das neue Kino werden“, sagte er am Mittwoch und sprach sich dafür aus, dass sich die Berlinale für Serien öffnet. Böhning schwärmte von Sendungen wie „Homeland“ und „Borgen“.

■ Damit solche Publikumserfolge in Zukunft vielleicht auch in Deutschland produziert werden können, kündigte er an, dass Berlin und Brandenburg 2013 und 2014 mit jeweils 500.000 Euro hochwertige Serien fördern wollen. Das Geld soll aus der gemeinsamen Filmförderung kommen.

■ Mit Blick auf die Eröffnung der Berlinale lobte er das Festival als Wirtschaftsfaktor für Berlin: 2012 seien 11,5 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet worden. Zusammengerechnet mit der Hotel- und Gastronomiebranche komme man auf Einnahmen von 66 Millionen Euro. Das Festival schaffe über das ganze Jahr Arbeitsplätze im hohen dreistelligen Bereich.

■ Stefan Gelbhaar, medienpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, hält Böhnings Tipp für die Berlinale für „falsch und kurios“. Der Senat solle sich da nicht einmischen. (mar)

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PROTOKOLLE PLUTONIA PLARRE

„Wir schützen die Stars vor den Fans“

„Stars wie Georg Clooney kommen natürlich nicht allein. Sie kommen immer mit ihrem Film, und dazu gehört dann eine ganze Delegation: Da ist der Weltvertrieb dabei, der Europavertrieb, die Weltpressestelle, die Europapressestelle und so weiter. Ich bin einer von ungefähr 80 Gästebetreuern. In unserer Abteilung kümmern wir uns um internationale Großproduktionen.

Die Anreise der Stars erfolgt entweder mit Privatjet oder Linienmaschine. Ich nehme die Gäste am Flughafen sehr herzlich in Empfang und begleite sie ins Hotel und zu allen weiteren Terminen im Rahmen der Berlinale. Wir bereiten die Meetings zwischen den Stars und Berlinale-Chef Dieter Kosslick vor und sorgen dafür, dass sie pünktlich bei den Pressekonferenzen, am roten Teppich und bei den Filmaufführungen sind.

Unsere Aufgabe ist auch, diese Leute vor Fans zu schützen. Bei prominenten Gästen stehen vor dem Gate in Tegel mittlerweile Hunderte von Autogrammjägern. Die sollen ihre Autogramme bekommen, das ist überhaupt nicht das Problem. Es muss aber so vonstattengehen, dass keiner dabei körperlichen Schaden nimmt.

Ich bin 14 Stunden am Tag auf den Beinen, ich mag die Atmosphäre. Ins Kino komme ich in der Zeit natürlich gar nicht. Die Filme sehe ich erst hinterher. Ich mache das seit 1987, immer als Gästebetreuer. Ich nehme mir tatsächlich frei dafür. In meinem normalen Leben bin ich technischer Produktionsleiter. Ich spreche vier Sprachen: englisch, französisch, spanisch, portugiesisch.

Der Albtraum eines jeden Gästebetreuers: Es kommt jemand ganz ohne Staff, und man übersieht ihn. Das ist mir tatsächlich mal mit Kevin Spacey passiert. Kevin Spacey war nämlich nicht als Kevin Spacey zu erkennen. Er hatte eine Sonnenbrille und ein Cap auf und war extrem unrasiert, um nicht zu sagen: bärtig. Ich stand direkt vor dem Gate. Da rief mich der Bodyguard an, der draußen wartete: ‚Ich glaub, der Spacey ist eben an mir vorbeigerannt‘. Ich sag: ‚Renn hinterher, ich renn auch los.‘ Wir haben ihn dann zum Glück noch gekriegt.“

Michael Stehr ist Gästebetreuer internationaler Wettbewerb

„Die Herausforderungen an uns sind unerschöpflich“

„Wäre die Berlinale ein Theater – ich wäre der Dramaturg. Der hat auch immer das Ganze im Auge und wird fürs Abstandhalten bezahlt. Ich bin Programmmanager des Festivals. Das heißt, ich kümmere mich an der Seite des Festivalleiters Dieter Kosslick um die Auswahl der Wettbewerbsfilme und der Berlinale-Specials. Außerdem sorge ich dafür, dass auch die anderen Sektionen während der Programmierung miteinander im Austausch bleiben. Das wird meine 11. Berlinale.

Während des Festivals bin ich von morgens um 7 Uhr bis nachts auf den Beinen. Manche Leute nennen mich Dieters rechte Hand. Aber der hat jede Menge rechte Hände. Richtig ist: Während des Festivals begleite ich Dieter Kosslick meistens. Der Mann hat sehr, sehr viele Events zu bestreiten. Und pro Tag gibt es mindestens sieben unerwartete Ereignisse, wo schlagartig der Puls hochgeht.

Es gibt jede Menge Menschen zu begrüßen und zu treffen. Das Wunderbare ist: Hinter den Filmen kommen die Menschen hervor. Mit ihrer Vorfreude, mit ihren Nöten und Nervositäten. Die Herausforderungen an uns Gastgeber sind unerschöpflich.

In den Sommermonaten besteht der Kern des Berlinale-Teams aus 40 Leuten. Wenn das Festival losgeht, sind an die 1.800 Mitarbeiter unterwegs. Es laufen knapp 400 Filme, die Kurzfilme mit eingerechnet. Allein für den Wettbewerb waren 600 Spielfilme angemeldet, das bedeutet: viele Tage im Kino. Aber es ist wie bei Tausendundeiner Nacht: Irgendwann zählt man nicht mehr. Man konzentriert sich nur auf die Geschichte, auf den Film, der gerade läuft.“

Thomas Hailer ist Programm-Manager der Berlinale

„Dies ist das Jahr der Bärenfallen“

„Die Berlinale ist für mich wie ein Bollywoodfilm. In Bollywood durchlebt man auch alle Rasas: Liebe, Hass, Bewunderung, Verzweiflung. Ich bin seit 23 Jahren dabei. Aber jedes Mal, wenn der Berlinale Trailer bei der Eröffnungsveranstaltung erklingt, bekomme ich eine Gänsehaut. Das hat etwas absolut Festliches.

Ich habe hier verschiedene Rollen, aber keinen Schreibtisch. Ich bin Mitglied im Auswahlkomitee des Forums und Delegierte für Indien und Subsahara-Afrika. Das Forum hat diesmal 40 Filme im Hauptprogramm. Außerdem gibt es viele Sondervorstellungen und das Forum Expanded: Das sind Filme im Grenzbereich zur bildenden Kunst. Bei der Berlinale selbst bin ich für die Interaktion zwischen Publikum, Filmschaffenden und Institutionen zuständig.

Das Schlimmste, was ich je erlebt habe, war, dass bei einer Weltpremiere im ausverkauften Kino die falsche Filmkopie angeliefert wurde. Eine andere Panne passierte, als ich den Talent-Campus geleitet habe. Einmal sollte morgens eine Veranstaltung mit Shah Rukh Khan sein. Wir mussten die Straße sperren lassen, so viele Fans waren da. Und er hatte verschlafen. Da kommt man schon ins Schwitzen.

Ich mag Filme, wo man hinterher das Gefühl hat, die mussten gemacht werden. Interessant sind immer länderübergreifende Trends: Ein Jahr war das Jahr der Taube. Ein Jahr gab es unheimlich viele Duschszenen. Oder es gibt die Neuerfindung des inneren Monologs, der lange aus der Mode war: Mensch spricht mit Hund. In diesem Jahr gibt es zwei Filme im Wettbewerb, wo Menschen durch Bärenfallen zu Tode kommen. Einen habe ich gesehen. Toll! Ich verrate aber nicht, wie er heißt, sonst ist die Spannung weg.“

Dorothee Wenner ist Forum-Delegierte für Indien und Subsahara-Afrika

„Ich werde vermutlich kaum schlafen“

„Die Berlinale ist eine gut geölte Maschine, und ich bin seit 17 Jahren Teil davon. Meine Philosophie ist: Go with the flow. In unseren beiden Wettbewerben von Generation laufen 60 Filme. Viele sind keine speziellen Kinderfilme. Es sind Filme für alle Leute. Aber es ist ein Genuss zu spüren, dass die Filmindustrie wach wird für ein junges Publikum.

Ich bin die Leiterin der Sektion Generation. Außerdem gehöre ich sämtlichen Auswahlgremien an und bin Berlinale-Delegierte für Neuseeland und Australien. Ich liebe meinen Job. Jedes Jahr verändert er sich, und ich bin jetzt in einer Position, in der ich Dinge kreativ entwickeln kann.

In unseren beiden Wettbewerben von Generation laufen 60 Filme. Viele sind keine speziellen Kinderfilme. Es sind Filme für alle Leute.

Ich komme aus Neuseeland und bin seit 1985 in Berlin. Im Rahmen meiner Tätigkeit bin ich sehr viel in der Welt unterwegs. Ich kriege so viele Festivaleinladungen, dass ich gar nicht alle annehmen kann. Manchmal möchte ich nur in Berlin bleiben und in meinem Garten sein.

Persönlich mag ich Filme sehr, in denen ich auch weinen oder lachen kann oder mich unterhalten fühle auf verschiedenen Ebenen. Unterhaltung ist auf der Berlinale in diesem Jahr ja ein großes Thema.

Ich habe ein fantastisches Team. Während der Berlinale werde ich vermutlich kaum schlafen. Was gar nicht passieren darf und wird, ist, dass einer unserer Gäste ohne Hotelzimmer oder Schlafplatz dasteht. Schlimm wäre auch, wenn der falsche Film startet. Aber wenn ich ehrlich bin, mag ich diese unerwarteten Dinge. Wörter wie Stress oder Problem gefallen mir überhaupt nicht. Für mich sind das Herausforderungen. Und: Für alles gibt es eine Lösung.“

Maryanne Redpath ist Leiterin der Sektion Generation