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Berlin schließt Ampelkoalition

Berlin blickt in eine leuchtende Zukunft: Als zweite deutsche Stadt gibt es die Ampeln in die Obhut einer Privatfirma. Laut Senatorin spart das 10 Millionen Euro, und die Ampeln werden noch toller

VON ULRICH SCHULTE

Keine Panik, Berlin droht kein radikaler Ampelkapitalismus. Grün gibt’s auch weiter für alle, nicht für den, der vorn in der Schlange am meisten Münzgeld in die Ampel wirft. Mehr noch, glaubt man Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), der Plan hat nur Vorteile: Als zweite deutsche Stadt will Berlin nach Braunschweig ihre Ampeln in die Obhut einer Privatfirma, der Stadtlicht GmbH, geben. Die Tochter des niederländischen Unternehmens Nuon wird ab Januar 2006 für zehn Jahre die Ampeln betreiben und modernisieren; Eigentümer bleibt Berlin.

Für das bankrotte Berlin soll der Deal über diesen Zeitraum eine Ersparnis von 10 Millionen Euro bringen. „Außerdem wird der Bestand schnell modernisiert“, sagt Junge-Reyer. Das hätte sich das Land ohne Outsourcing nicht leisten können.

Das Geschäft läuft wie folgt: Das Land überweist der Firma sukzessive 100 Millionen Euro für die Instandhaltung. Außerdem gibt es 13 Millionen für Modernisierung, weitere 13 Millionen sind für den Neubau von Anlagen vorgesehen. Dies sind exakt die Haushaltsposten, die auch für Ampeln in Landesregie fällig gewesen wären. Die Senatorin kann so 20 Stellen in ihrer Verwaltung einsparen. Die Leute wandern in den Stellenpool des Landes – mit nebulöser Perspektive (Bericht unten).

Die Stadtlicht GmbH wirtschaftet wesentlich härter als die Behörde. Durch die Zusammenarbeit mit Subunternehmen werde ein Betrag übrig bleiben, ist sich Geschäftsführer Antonio Hurtado sicher. Sprich: Wesentlich schlechter bezahlte Leute machen den gleichen Job. Geld sparen soll auch moderne Technik. 2.000 Ampeln leuchten in Berlin, 618 davon aus dem letzten Loch – sie sind veraltet. Im Vertrag hat die Verwaltung daher festgezurrt, dass die Firma im ersten Jahr 47 Ampeln (und einen maroden Verkehrsrechner), im zweiten 81 Ampeln (und zwei Großrechner) austauschen muss. Und auch in jedem weiteren Jahr schickt sie der Firma eine Renovierungsliste. Die Senatorin sagt: „Am Ende der Vertragslaufzeit ist der komplette Bestand erneuert“, der ja – wie gesagt – in Landeseigentum bleibt.

Glaubt man Stadtlicht-Chef Hurtado, blickt Berlin in eine leuchtende Zukunft. Die neuen Ampeln blinken mit Leuchtdioden statt mit stromfressenden Glühbirnen. „Sie leuchten intensiver, Sonnenlicht stört weniger, die Lebensdauer ist 20-mal länger“, zählt Hurtado auf. Die Wartungskosten für alte Ampeln sind dreimal so hoch wie die für neue, die der Verkehrsleitzentrale auch noch selbstständig melden, wenn sie ausfallen.

In zwei wichtigen Punkten kann Junge-Reyer die interessierten Verkehrsteilnehmer beruhigen. Erstens: Der Verkehr wird nicht in Zukunft von Niederländern gemanagt. „Natürlich bleiben wir für Verkehrslenkung und -politik zuständig.“ Zweitens: Die Firma darf auch keine niederländischen Ampelmännchen installieren. „Wenn eine Ampel defekt ist, wird das Ost-Ampelmännchen eingesetzt – wie bisher.“ Na dann.

Auch aus dem Bezirk Mitte ist nur Beruhigendes zu hören. Die Firma Stadtlicht betreibt seit Dezember 2003 die städtischen Straßenlaternen, ebenjener Bezirk beaufsichtigt das. Harald Büttner, Chef des Straßen- und Grünflächenamtes, sagt: „Bei uns macht die Zusammenarbeit Sinn. Für die Privaten ist der Anreiz da, zügig zu modernisieren.“

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