: Kann man Karl-Theodor zu Guttenberg noch trauen?
PRO
ULRIKE WINKELMANN ist taz-Parlamentskorrespondentin
Doch, man kann Karl-Theodor zu Guttenberg noch trauen – in dem Sinne, dass es bislang nicht gelingt, ihn einer glatten Lüge zu überführen.
Der Verteidigungsminister hat sich in einen Widerspruch hineinbegeben, ja. Am 6. November erklärte er den Luftangriff von Kundus für angemessen und unvermeidlich. Am 3. Dezember nahm er dies zurück, ohne dass ihm wesentlich neue Erkenntnisse vorlagen. Er hat nur so getan, als wenn die Ende November aufgetauchten Dokumente diese Veränderung der Einschätzung möglich und nötig machten. Um dies zu bekräftigen, hat er den Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert gefeuert. Das mag man verlogen nennen, aber solche schmuddeligen Begründungen gehören zum Alltag in der Politik.
Wer zu Guttenberg an den in Berlin geltenden Maßstäben misst, wird hier keine Lüge erkennen, die einen Rücktritt erfordern würde, und auch keinen besonderen Grund, ihm das Vertrauen zu entziehen. Noch verdient er so viel oder so wenig Vertrauen wie, zum Beispiel, Frank-Walter Steinmeier oder Jürgen Trittin. Nur zur Erinnerung: Der Einsatz in Afghanistan begann unter Rot-Grün. Als die Bundeswehr dann beschloss, verschärft gegen die Gewalteskalation im Norden des Landes vorzugehen, wurde zu Guttenberg gerade Wirtschaftsminister. Enttäuscht ist jetzt also bloß, wer zu Guttenberg vorher mehr Vertrauen schenkte, etwa weil er eine Insolvenz für Opel empfohlen hatte, weil er adelig ist oder weil er so aufgeschlossen spricht. Sowieso wütend auf zu Guttenberg sind diejenigen, die solch eine moderne Art bei Unionsmännern rein gar nicht ausstehen können.
All dies aber spricht nicht unbedingt gegen zu Guttenberg selbst. Die Frage ist nur, wie er zu dem – abwegigen – Urteil von Anfang November kam. Wahrscheinlich war es reine Bundeswehr-Politik: Er dachte, er müsse dasselbe sagen wie sein ranghöchster General Schneiderhan – und noch ein bisschen mehr, damit die Soldaten ihn mögen. Das war unangemessen und dumm. Das ist ihm aufgefallen. Immerhin.
CONTRA
HANS-CHRISTIAN STRÖBELE ist Bundestagsabgeordneter der Grünen
Trauen können wir dem Wort des Ministers vielleicht, aber nicht vertrauen auf sein Urteil und seine Fähigkeit, das Ministerium zu führen. Ob er die Wahrheit gesagt oder gar im Parlament gelogen hat, wird geklärt. Es gibt die Vorwürfe des Generalinspekteurs Schneiderhan, die Aussage des Ministers, er, Schneiderhan, habe „Dokumente unterschlagen beziehungsweise vorenthalten“, sei eine vorsätzliche ehrenrührige Falschbehauptung und der Minister habe über den Inhalt seines Gespräches mit ihm vor der Entlassung die Unwahrheit gesagt. Mit dieser Wahrheitsfindung befasst sich der Untersuchungsausschuss.
Aber entsetzlicher ist die Bewertung des Ministers, der Bombenangriff in Kundus sei „militärisch angemessen“ und unabdingbar notwendig gewesen, „selbst wenn Fehler gemacht wurden, musste man so handeln“. Diese Aussage hat er im Bundestag bekräftigt. Der Minister hatte damit die Erklärung Schneiderhans übernommen, um der Truppe den Rücken zu stärken. Beide behaupten, das sei Inhalt des geheimen Com-Isaf-Berichts der Nato vom 26. 11. 2009.
Was da drinsteht, zeigt aber ein ganz anderes Szenario. Danach gaben deutsche Soldaten die Weisung zu dem Bombenabwurf. Einwände der US-Piloten der Bomber wurden mit falschen Angaben beiseitegewischt. Nicht nur die Tank-Lkws, sondern eine große Zahl von Menschen sollte vernichtet werden. Ganz schnell wurde bombardiert, weil die Menschen wegzugehen begannen. Die einschränkenden Isaf-Weisungen zu Bombeneinsätzen kannte der deutsche Kommandeur nicht. Und die Anordnung des Oberkommandierenden, dass nur er solche Angriffe befehlen darf, wurde missachtet.
Wer auf der Grundlage dieses Nato-Berichts die Bombardierung zur Vernichtung von Menschen als „militärisch angemessen“ und zwingend notwendig wertet, dem und dessen Urteilsfähigkeit als Oberbefehlshaber der Bundeswehr im Frieden und im Krieg kann ich doch nicht vertrauen – auch wenn er aufgrund der Bilder in der Bild seine Bewertung inzwischen in „nicht angemessen“ geändert hat.