ITALIENS REGIERUNGSCHEF WILL DEN STAATSPRÄSIDENTEN ENTMACHTEN
: Berlusconis Allmachtsfantasie

Nein, Silvio Berlusconi muss nicht befürchten, als Regierungschef in die Geschichtsbücher einzugehen, der bloß einen Stapel von Gesetzen hinterlässt, die auf den Feldern Justiz und Medien seine höchstpersönlichen Interessen bedienen. Wenige Monate vor Schluss der Legislaturperiode ist ihm ein wirklich großer Wurf gelungen: eine veritable Verfassungsreform, die die Befugnisse des Parlaments, des Staatspräsidenten und des Regierungschefs völlig neu ordnet.

Auch diese Reform sieht so aus, als habe sich Berlusconi eine Verfassungsordnung ganz nach eigenem Gusto schaffen wollen. Was litt der Mann immer unter der „Schwatzbude“ Parlament. Wie beneidete er den deutschen Kanzler, der Minister einfach feuern darf. So etwas wird künftig auch in Italien möglich sein: Das Land bekommt statt des schwachen Ministerpräsidenten einen starken Premierminister, quasi direkt vom Volk gewählt. Denn der Chef der siegreichen Koalition erhält automatisch das Amt, braucht nicht einmal mehr eine Vertrauensabstimmung. Weitgehend entmachtet ist damit der Staatspräsident. Er kann weder Einfluss auf die Kabinettsbildung nehmen noch über die Auflösung des Parlamentes befinden.

Ja und? In anderen Ländern funktioniert die Demokratie doch auch mit einem starken Regierungschef ganz ordentlich. Durchaus. Doch das sind Länder, in denen starke Gegengewichte existieren und zudem eine kritische Öffentlichkeit über die Regierung wacht. In Berlusconis Italien wäre mit dem Staatspräsidenten eine der wenigen noch verbliebenen Kontrollmächte weggeräumt. Der Regierungschef, der schon seine Partei Forza Italia wie eine Fastfood-Kette führt, könnte endlich Ernst machen mit dem Ansinnen, das ganze Land „wie ein Unternehmen“ zu regieren.

Viel spricht allerdings dafür, dass Berlusconi im nächsten Frühjahr abgewählt und dann im zweiten Schritt seine Verfassungsreform in der notwendigen Volksabstimmung verworfen wird. Doch wenn Silvio I. die Wahlen gewinnt – dann gute Nacht, Italien. MICHAEL BRAUN