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Archiv-Artikel

„Prost, ihr Säcke, Prost, du Sack!“

FUSSBALL Im Herthaner, einer der letzten verbliebenen Eckkneipen in der Weserstraße, sind heute auch Union-Fans willkommen

Rosi Lina-Jungfer

■ 60, betreibt seit fünf Jahren den Herthaner in der NeuköllnerWeserstraße.Bei ihr treffen sich zwei Hertha-Fanclubs.

taz: Frau Lina-Jungfer, wie ist die Stimmung vor dem Stadtderby bei den Herthanern?

Rosa Lina-Jungfer: Die Stimmung ist bombig, so viel können Sie mir schon mal glauben. Heute wird’s richtig heiß hergehen. Die Fans, die nicht ins Stadion gehen, die kommen zu uns. Zu Hertha-Spielen kommen sogar Anhänger aus Charlottenburg und Spandau zu uns.

Was erwarten Sie vom heutigen Abend?

Dass Hertha gewinnt. Dann haben meine Gäste auch mehr Durst.

Sind Sie Hertha-Fan von klein auf?

Nein, mein Mann war Hertha-Fan, mein Sohn von klein auf, ich wurde es erst später. Aber jetzt fiebere ich bei jedem Spiel mit.

Wodurch zeichnet sich denn der typische Hertha-Fan aus?

Der geht beim Spiel voll mit und ist nach dem Spiel bei den heißen Diskussionen mittendrin. Und wenn er unzufrieden ist, schimpft er rum, dann wird er schon mal laut und es geht richtig heftig zu. Aber in dieser Saison haben sie ja fast alles gewonnen. Das baut die Fans genauso auf wie die Spieler.

Verirren sich auch Union-Fans zu Ihnen?

Ja. Das ist bei uns aber kein Problem, da gibt es keine Feindseligkeit.

Gibt es Extras in Ihrer Kneipe, wenn Hertha ein Tor schießt?

Ja, dann gibt’s ’nen Klopfer.

Einen Kräuterschnaps?

Nicht nur, Kräuterschnäpse oder anderen Schnaps. Erst wird dann auf den Tisch geklopft, dann heißt’s „Prost, ihr Säcke, Prost, du Sack. Danke! Bitte!“ – und dann geht’s weiter.

Ihre Kneipe ist ganz in Blau-Weiß geschmückt. Was ist Ihr liebstes Hertha-Accessoire?

Unser Flur. Der ist ganz in den Klubfarben gehalten und wir haben dort Graffiti an der Wand – das Stadion auf der einen Seite und die Hertha-Fahne auf der anderen Seite.

Welches war das bisher schönste Hertha-Erlebnis in Ihrer Kneipe?

Als Hertha wieder in die Erste aufgestiegen ist vor zwei Jahren.

Und wie lange feiern die Fans, wenn Hertha gewinnt?

Wenn’s Abendspiele sind, geht es oft bis in den frühen Morgen.

Ist der Herthaner eine reine Fußballkneipe?

Wenn Erst- oder Zweitliga-Spiele sind, übertragen wir die meistens auch. Aber wir sind keine reine Fußballkneipe. Man trifft sich gemütlich oder es gibt Feiern. Und Darts wird bei uns auch viel gespielt.

Sie betreiben hier eine der letzten traditionellen Eckkneipen in der Weserstraße. Gab es auch schon mal blöde Kommentare von Leuten, die hineinkamen?

Ja ja, natürlich, klar. Aber da kümmer’ ich mich nicht drum. Es gab schon Kommentare von Leuten, die reinkamen und nicht wussten, wie’s hier geht bei uns. Es geht halt familiär bei uns zu. Manche kommen rein, weil die Studentenkneipe nebenan voll war, und setzen sich zu unseren Stammgästen. Einigen von denen gefällt’s aber auch gut, und sie kommen immer wieder.

Frau Lina-Jungfer, sagen Sie uns noch, wie es ausgeht heute?

3:1 für uns. INTERVIEW: JENS UTHOFF