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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Echt doofe Bengalos

HIRNIS Randalierende Fans von Dynamo Dresden verderben einen Fußball-Familienausflug auf den Lauterer Betzenberg

Die Vereinsvertreter und das Gros der Fans leiden schließlich Tag für Tag unter den Idioten im Fanblock

Gibt es Peinlicheres als eine Kolumne in der Ich-Form? Aber klar doch! Eine Kolumne in der Ich-Form, in der des Kolumnisten Kinder erwähnt werden. Wie an dieser Stelle. Der Sohn, ein Sechsjähriger, findet also bengalische Feuer „echt doof“. Sie sähen zwar schön aus, seien aber verboten. Ende der Diskussion. Dass ein Verein bestraft wird, weil manche seiner Fans sich wie Idioten benehmen, findet er allerdings „ganz ungerecht“. Hat also doch einen eigenen Kopf, der Knirps.

Gegen 22 Uhr begehen der Sechsjährige, dessen Bruder und ein anonymer Vater (AV) ein Sakrileg: Sie verlassen ein Fußballspiel, bevor es abgepfiffen ist. Der AV sieht sich außer Stande, zwei schlafende Kinder bei gefühlten minus 20 Grad die drei Kilometer zum Auto zu tragen. Zu diesem Zeitpunkt hat die Dresdner Fankurve bereits zweimal Bengalos gezündet. Keinen Club hat der DFB so auf dem Kieker wie Dynamo. Die Urteile gegen den Traditionsverein waren in der Vergangenheit oft zu streng. Doch mit jedem einzelnen Bengalo, jedem Blocksturm und jedem Rauchtopf bestätigen die Autisten unter den Dynamo-Fans diejenigen, denen der Verein nur noch ein Ärgernis ist.

Doch was nach dem Spiel in Kaiserslautern passierte, hat noch einmal eine ganz andere Qualität. Dresdner Hooligans attackierten Fan- und Shuttlebusse, randalierten in der Innenstadt und sorgten für einen Sachschaden von 70.000 Euro. Ein Mensch wurde durch herumfliegende Splitter verletzt, eine Frau erlitt einen Schock. Seither quillen die Internetforen über. Tenor: Weg mit diesem Verein, die Geduld ist aufgebraucht.

Natürlich ist dieser Reflex ungerecht: Die Vereinsvertreter und das Gros der Fans leiden schließlich Tag für Tag unter den Idioten im Fanblock, bei Treffen mit Kollegen werden sie als die Männer und Frauen vom „Krawallverein“ begrüßt, viele tausend Dynamo-Fans werden am Montagmorgen in den Betrieben wieder gehänselt oder gar beschimpft werden. Wer zu Dynamo hält, ist unter Rechtfertigungsdruck.

Es kann nicht oft genug gesagt werden: Auch in Kaiserslautern waren an einem Freitagabend 4.000 Anhänger der Dresdener, sie haben ihr Team so lautstark unterstützt (selbst in der Halbzeitpause!), dass 28.000 FCK-Anhänger schwer beeindruckt waren. Im Nachhinein werden nicht diese Eindrücke in Erinnerung bleiben. Sondern die Gewaltexzesse von ein paar Menschen mit aufgeblähtem Vorstrafenregister und wenig Verstand.

Während die Hirnis Frauen und Normalofans mit Flaschen und Steinen attackierten, kutschierte der AV zwei schlafende Kinder durch den Pfälzer Wald. Eine halbe Stunde lang begegnete ihnen kein einziges Auto. Stattdessen überraschten sie Fuchs und Hase bei deren angeregter Diskussion, ob es diese Lebewesen namens „Mensch“ denn nun tatsächlich gebe. Eigentlich eine interessante Frage. Nicht nur für die Hasen. CHRISTOPH RUF