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Archiv-Artikel

„Positiv umgewertet“

VORTRAG Zwei Fallstudien über jugendliche „Migrationsandere“ werden vorgestellt

Nadine Rose

■ 36, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Allgemeinen Erziehungswissenschaft an der Universität Bremen.

Frau Rose, Sie sprechen heute über Ihre Forschungen zu „Rassismus in der Schule“ – und „Migrationsandere“. Wer soll das denn sein?

Nadine Rose: Es gibt ja immer wieder Kritik an dem Begriff „Jugendliche mit Migrationshintergrund“. Mit diesem neuen Wort, das auf Paul Mecheril zurückgeht, soll darauf hingewiesen werden, dass Positionszuschreibungen wie Aus oder Inländer immer relational sind. Es ist der Versuch, dem einen Namen zu geben, der aber noch nicht so belegt ist.

Und was genau haben Sie da in Ihrer Promotion erforscht?

Ich habe zwei aufwändigen Fallstudien ausgearbeitet – mit jungen Männern, von denen man sagt, sie haben einen Migrationshintergrund. Die übergreifende Frage war: Wie werden diese Jugendliche zu Migrationsanderen gemacht?

Was ist das Ergebnis Ihrer Untersuchungen?

Die beiden Jugendlichen haben sehr unterschiedliche Spielräume. Während der eine sich sehr stark in Richtung „deutsch sein“ stellen kann, ist das für den anderen kaum möglich. Er definiert sich sehr stark als Ausländer, weil er auch vielfach solche Zuschreibungen bekommt und damit verbunden oft Diskriminierungserfahrungen macht. Der andere aber hat es leichter, ist privilegierter und hat weniger auszustehen.

Kann man das denn auch verallgemeinern?

Das ist immer schwierig, das sind ganz klar Einzelfallstudien. Mich hat vor allem interessiert, wie ich Leuten klar machen kann, wo rassistische Diskriminierung anfängt und was für feine Prozesse das zum Teil sind – mit großen Folgen für den Einzelnen. Die These wäre: Je mehr Diskriminierungserfahrungen man als Migrationsanderer macht, desto schwerer ist es, sich selbst einen Ort zu geben, der davon unabhängig ist, wie die anderen einen sehen.

Welche Optionen haben jene, die diskriminiert werden?

In dem Fall, den ich mir näher angeguckt habe, ist es so, dass der Jugendliche trotz abwertender Zuschreibungen das Ausländer-Sein für sich selbst positiv besetzt und umwertet.

Kann man daraus Empfehlungen für andere ableiten?

Man sollte sich, etwa als Pädagoge, noch stärker klar machen, wie man von und mit den Jugendlichen spricht. Man sollte sich vielleicht auch fragen, inwieweit man selbst dazu beiträgt, dass sie sich als „andere“ fühlen.

INTEVIEW: Jan Zier

18 Uhr, DGB-Haus, Tivoli-Saal, Bahnhofstraße 22-28