OGOTTOGOTT, DAS ARME PFERD!
: Manches ist eigentlich ganz gut, jedenfalls besser als „Der Hobbit“

Draußen im Kino

VON DETLEF KUHLBRODT

Manches ist immer das Gleiche und in seiner Wiederkehr tröstend. Der Zeitungsverkäufer, der vor dem CinemaxX schon seit Jahren ruft: „Zitty, der Tagesspiegel!“ Als wäre „Tagesspiegel“ der Spitzname des Stadtmagazins. Ich, wie ich jedes Jahr daran scheitere, mir einen Stundenplan zu basteln und oft in ungeplanten Filmen lande. „Cloud Atlas“ zum Beispiel, den ich verpasst hatte, als er rauskam. Vor der Vorstellung sagte Tom Tykwer, in Asien würde der Film besser verstanden werden als im Westen. Er gefiel mir eigentlich ganz gut, jedenfalls besser als „Der Hobbit“.

„The Pirate Bay – Away from Keyboard“ hatte ich dagegen unbedingt sehen wollen. Auch weil die 2008 über das Internet übertragene Piratebay-Pressekonferenz so toll gewesen war. Simon Klose erzählt darin vom Prozess gegen Gottfrid Svartholm Warg, Fredrik Neij und Peter Sunde, die drei Gründer der Filesharing-Plattform, deren Verurteilung zur Zahlung von 5,2 Million Euro und zu Haftstrafen zwischen vier und elf Monaten im Februar letzten Jahres bestätigt wurde. Alles wird angetippt, die Verbindungslinien zu Wikileaks, das gern gestreute Gerücht einer Verbindung zu Rechtsradikalen, die Feindschaft, die unter den TPB-Gründern entstand. Der Film ist mit seinen 85 Minuten aber zu kurz, um der Komplexität seines Themas gerecht zu werden. Von einem der Gründer, der zeitweise ins kambodschanische Exil auswich, wird mehrmals gesagt, er wäre Junkie, aber nicht, ob nun Heroin oder Gras die Droge seiner Wahl war. Das ärgerte mich. Lustig dagegen, dass „The Pirate Bay“, wie jeder Berlinale-Film, mit der Drohung „Film piracy is illegal […] and will be not tolerated“ begann und mit der Aufforderung „Please share this film online“ endete.

Simon Klose stellte sein Werk direkt nach der Premiere ins Netz. Und ich ging nach Hause, um mir Bayern-Schalke auf einem illegalen Stream mit englischem Kommentar anzuschauen. Dass die auf Plattformen wie „wiziwig“ gehosteten Fußballstreams in den letzten zwei, drei Jahren immer besser geworden sind und nur noch selten wegen Urheberrechtsverletzung abbrechen, deutet darauf hin, dass sie von den Rechteinhabern mittlerweile stillschweigend toleriert werden. Eine ähnliche Argumentation wie die, mit der sich die ehemaligen Piratebay-Betreiber verteidigten, scheint dahinterzustehen. Wer sich, weil er kein Geld hat, jahrelang umsonst Livespiele im Internet anschaut, wird später, wenn er solvent ist, für die qualitativ besseren Übertragungen zahlen.

Das Sägemotiv, das mir zuerst – wie eine Drohung – in dem griechischen Forumsbeitrag „I Kóri“ („The Daughter“) auffiel, setzte sich in dem ebenfalls im Forum gezeigten Film „A Single Shot“ von David Rosenthal fort, wo dem Helden zwei Finger abgesägt werden, und tauchte dann wieder in Thomas Arslans Wettbewerbsbeitrag „Gold“ auf. Es machte großen Spaß, sich den Film anzuschauen, obgleich er eigentlich nicht so gut ist. Ich saß neben einer älteren Frau, die das Geschehen ständig kommentierte: Als ein Pferd zusammenbrach, sagte sie „Ogottogott, das arme Pferd!“ (worüber sich ein Sitznachbar, Typ mit Rastahaaren, bitter beschwerte); als Müller in eine Bärenfalle läuft und sein Unterschenkel gar nicht gut aussieht, sagte sie: „Uiiii, das sieht aber gar nicht gut aus!“ Und als dann irgendwann der Fuß der Nervensäge Müller abgesägt wird, kreischte der ganze Saal angstlustig wie in der Achterbahn.

Lustig war auch der Beginn der Vorführung im Friedrichstadt-Palast, als eine Frau auf der Bühne zunächst erklärte, es handle sich um eine Fassung für Hör- und Sehgeschädigte, und sich bei den Firmen, die das möglich machten, bedankte. Applaus. Danach kam ein Mann auf die Bühne und erklärte, die Fassung für Hörgeschädigte sei leider doch nicht fertig geworden und dafür wolle er sich entschuldigen.