„Der Kotti ist unser Wohnzimmer“

KUNST Kreuzberger haben Plakate über das Leben am Kotti gemalt, die nun in der U-Bahn-Station hängen

■ 36, ist Architekt und lebt und arbeitet im Neuen Kreuzberger Zentrum als Leiter für Kunstprojekte.

taz: Was ist die Idee hinter Ihrem Projekt?

Stefan Endewardt: Ich wohne seit vielen Jahren hier am Kotti und habe bemerkt, dass die Leute immer mehr Angst davor haben, wie es weitergeht. Angst vor den steigenden Mieten. Angst, verdrängt zu werden. Dann kommen noch der Tourismus und die ganzen Partys dazu. Wir wollen ein Sprachrohr für die Menschen schaffen, die hier wohnen.

Anette Knol: Die Leute sollen sich besser kennenlernen, sodass ein Gefühl der Solidarität entsteht. Gerade wenn sich so viel ändert, ist Kommunikation unter den Gruppen wichtig.

Wie haben Sie Akteure ausgewählt?

S. E.: Wir haben uns gefragt: Welche Akteure sind interessant und wichtig? Wir wollten Perspektiven unterbringen von Leuten, die sich sonst nicht unbedingt begegnen würden.

Was steht auf den Plakaten?

S. E.: Das Hauptmotiv ist die Aussage: „Wir sind Kreuzberg. Der Kotti ist unser Wohnzimmer. Und wir wollen, dass das respektiert wird!“

■ 36, hat Illustration studiert und arbeitet im Projekt- und Kunstraum Kotti-Shop.

Wie wurde gearbeitet?

S. E.: Wir sind einzeln zu den Gruppen gegangen und haben nichts vorgegeben. Wir waren nur der Katalysator.

Haben Sie ein Lieblingsplakat? A. K.: Ich mag alle. Aber ein ganz spezielles Plakat ist das von Kotti & Co. Die haben Fotos von ihren Demos mitgebracht, die sie für das Plakat benutzt haben. Fotos, wie sie dafür demonstrieren, dass sie sich ihr Kreuzberg nicht wegnehmen lassen. Die Menschen auf den Plakaten sind die Menschen hinter den Plakaten.

Sie sagen, die Plakate und Statements sollen mehr als nur Kunst sein. Welches Potenzial sehen Sie?

A. K.: Dass die Bürgerinitiativen sich vernetzen. Außerdem ist der Kotti sonst nur in den Medien, wenn es um Drogen und Kriminalität geht. Durch solche Projekte sieht die Öffentlichkeit, dass hier auch echte Menschen mit echten Problemen leben.

Welche Reaktionen erhoffen Sie sich?

■ „The Mirror“ ist eine künstlerische Nachbarschaftsaktion, die das Leben und die Veränderungen rund ums Kottbusser Tor thematisiert. Kreuzberger Akteure haben ihre Perspektive darauf auf Plakaten festgehalten: darunter die Mietaktivisten von Kotti & Co, die Computeria, die kostenfrei Internet bereitstellt, das Café Sehnsucht, das sich um Junkies kümmert, die 36 Boys, die Jugendprojekte machen, und der Südblock. Ins Leben gerufen wurde „The Mirror“ vom Projekt- und Kunstraum Kotti-Shop. Zu sehen sind die Beiträge vom 15. bis 25. Februar in der U-Bahn-Station Kottbusser Tor. Die Aktion ist Teil des Zeichenfestivals Big Draw. (dm)

S. E.: Ich hoffe, dass die Gruppen auch tatsächlich kommen und sich begegnen.

INTERVIEW: DMITRIJ KAPITELMAN