: Reinerts Bewährungsprobe
Der Chef der CDU-Bürgerschaftsfraktion steht vor seiner bislang schwierigsten Aufgabe: Er muss die geplante Änderung des per Volksentscheid beschlossenen neuen Wahlrechts trotz öffentlicher und interner Kritik schnell und geräuschlos eintüten
Von Marco Carini
Die Überzeugungsarbeit läuft hinter den Kulissen. Nachdem es CDU-Fraktionschef Bernd Reinert auch in zwei Gesprächsrunden mit mehreren Bürgerschaftsabgeordneten seiner Partei nicht gelungen war, fünf abtrünnige Fraktionsmitglieder beim Thema Wahlrecht auf Kurs zu bringen, änderte er die Strategie. Nun sollen Einzelgespräche mit den Dissidenten helfen, den CDU-Gegenentwurf zum per Volksentscheid abgesegneten Wahlrecht einzutüten.
Dabei stehe er „unter keinerlei Zeitdruck“, beteuert Reinert. Dass es dem ehemaligen Lehrer nicht gelingen wird, bis zur heutigen Fraktionssitzung ein belastbares Ergebnis zu erzielen, das noch in diesem Jahr in die Bürgerschaft eingebracht werden kann, gilt als sicher.
Zwei Punkte stehen dabei im Fokus der parteiinternen Kontroverse: Den Abweichlern um die Wandsbeker Bürgerschaftsabgeordnete Natalie Hochheim geht es darum, die Stimmenzahl abzusenken, die ein Kandidat braucht, um auch ohne sicheren Listenplatz ins Parlament zu kommen. So sollen die Wähler einen stärkeren Einfluss auf das personelle Tableau der Bürgerschaft bekommen als die CDU–Spitze ihnen zubilligen will.
Als wahrscheinlich gilt auch ein Kompromiss zwischen den Entwurfsbefürwortern und seinen Kritikern bei der von der CDU-Spitze ungeliebten Einrichtung von Wahlkreisen bei der Wahl zur Bezirksversammlung. Doch mit der Einführung von Bezirkswahlkreisen würde ein neues Problem auftauchen: Können auch im Bezirk fünf Stimmen auf beliebige Parteien und Kandidaten verteilt werden, lassen sich Bezirks- und Bürgerschaftswahlen kaum noch gemeinsam durchführen. Zwei Wahlen, seitenlange Kandidatenlisten, zehn Kreuze, kumuliert oder panaschiert – da droht die Kapitulation der Wähler. Besonders die überdurchschnittlich betagte CDU-Wählerschaft könnte Orientierungs-Probleme bekommen, befürchtet man in der CDU-Zentrale am Leinpfad.
Bleibt es deshalb aber bei der vom Volksentscheids-Wahlrecht vorgesehenen Koppelung von Bezirks- und Europawahlen, muss die CDU um ihre Macht fürchten: Ihre Wähler bleiben der Europawahl gern fern, und der Beust‘sche Bürgermeister-Bonus würde für die Bezirke kaum genutzt werden können.
Die CDU-Spitze um Parteichef Dirk Fischer und Jürgen Echternach, die graue Eminenz im Hintergrund, erwartet nun von Reinert, dass er die Fraktion bei dem sensiblen Thema eint: schnell, geräuschlos und mit wenig Zugeständnissen an die Kritiker. Möglichst noch 2005 soll der Fraktionschef einen Wahlrechtsentwurf präsentieren, für den alle CDU-Abgeordneten in gewohnter Eintracht die Hand heben können. Schafft er das nicht, ist seine Autorität angekratzt.
Doch da daran auch die fraktionsinternen Wahlrechts-Kritiker kein Interesse haben, stehen die Weichen auf Kompromiss.