Rückkehr nach der Muschelsuche

Hongkong, Tokio, Ekelen: Fow Pyng Hus Film „Paradise Girls“ erzählt vom schwierigen Alltag dreier Asiatinnen

Der kleine Lok Lok ist krank. Er hat ein Loch im Herz, durch das sauerstoffarmes sich mit sauerstoffreichem Blut durchmischt. Obwohl ihm äußerlich noch nichts anzusehen ist, wird Lok Lok allmählich schwächer. Er braucht eine Operation. Die Chancen auf einen erfolgreichen Eingriff liegen bei 40 Prozent.

Die Kosten liegen bei 50.000 Hongkong-Dollar. Lok Loks Mutter Shirley muss diese Summe aufbringen. Ihr Job als Fotomodell reicht dazu nicht aus. Zwar wirft sie sich sogar auf den Boden, um zu einer Limonade hinzukriechen „wie Tom Cruise in ‚Mission Impossible‘ “. Ihr Einsatz wird aber nicht ausreichend honoriert, das Geld reicht nicht. Shirley, eine allein erziehende Mutter in der asiatischen Geschäftsmetropole, muss einen Verwandten um Hilfe bitten. In Fow Pyng Hus Film „Paradise Girls“ ist Shirley eines der drei Mädchen, von denen im Titel die Rede ist. Die Japanerin Miki und die Chinesin Pei Pei stehen im Mittelpunkt der anderen beiden Episoden, die lose dadurch miteinander verbunden sind, dass die drei Frauen sich zur gleichen Zeit in einem Ferienresort in den Tropen aufhalten. Nur dadurch sind sie „Paradise Girls“. Ansonsten sind ihre Geschichten keineswegs idyllisch.

Miki ist in einen Niederländer namens Benny verliebt. Seinen Plan, Tokio zu verlassen und zurück nach Amsterdam zu gehen, nimmt sie zuerst einfach zur Kenntnis. Sie geht noch einmal mit ihm in ein Love Hotel, wie zum Abschied. Auf dem Flughafen gibt sie ihm dann aber doch zu verstehen, dass ihr die Trennung nicht recht ist. Wenig später schon reist sie hinterher. Benny bleibt nichts anderes übrig, als Miki bei sich in Amsterdam aufzunehmen. Es stellt sich aber bald heraus, dass die Beziehung hier keine Chance hat.

Der Regisseur Fow Pyng Hu hat in den Niederlanden studiert und lebt auch dort. Die Erfahrungen asiatischer Menschen in Europa thematisiert er vor allem im Mittelteil von „Paradise Girls“, in der Geschichte von Pei Pei. Sie ist die Tochter eines chinesischen Einwanderers, der in einer Provinzstadt im Süden der Niederlande eine Imbissbude betreibt. Der Vater fühlt sich in Ekelen nicht wohl. Die Tochter lebt ihr eigenes Leben, aber sie kommt nicht umhin, die Familienverhältnisse ernst zu nehmen. Ein kleiner Vorfall beim Frisör, wo ihr Vater versehentlich am Ohr verletzt wird, wird für Pei Pei zum symptomatischen Erlebnis. Die latente Missachtung der Chinesen durch die weißen Niederländer bringt sie aus der Fassung. Beim Muschelsuchen am Meer eröffnet ihr der Vater seinen Entschluss, nach China zurückzukehren. Er ist in Europa nie richtig glücklich gewesen.

Das Paradies, von dem Fow Pyng Hu spricht, ist aber auch nicht identisch mit Heimat. Sein Film handelt von fragilen Existenzen, von der gänzlich ungebundenen Miki bis zu der Verantwortung von Shirley und Pei Pei reicht das Spektrum. Das Paradies in „Paradise Girls“ ist selbst ein Klischee von Asien, und die drei Frauen verhalten sich dazu wie alle anderen Reisenden auch: Sie kommen dort an, werden aber ihre Geschichten nicht los.

BERT REBHANDL

„Paradise Girls“. Regie: Fow Pyng Hu. Mit Eveline Wu, Kei Katama, Jo Koo u. a. Niederlande/Deutschland 2004, 97 Min.