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Archiv-Artikel

Freund, Feind, Parteifreund

LIBERALE Hat ein führendes FDP-Mitglied versucht, die Umfragewerte der Partei zu manipulieren?

BERLIN taz | Wird die FDP zur neuen Piratenpartei – zumindest was den Umgang untereinander betrifft? Die Welt meldet, ein führendes Parteimitglied habe versucht, im Niedersachsen-Wahlkampf Umfragewerte nach unten zu manipulieren. Auf diese Weise sollte der angeschlagene Parteichef Philipp Rösler zusätzlich geschwächt und letztlich zum Rücktritt gedrängt werden.

Doch der Reihe nach. Am 21. Januar, dem Tag nach der Niedersachsen-Wahl, tagten im Berliner Thomas-Dehler-Haus Präsidium und Parteivorstand. Es gab viel zu besprechen. Bei der Landtagswahl tags zuvor hatte die FDP überraschend 9,9 Prozent der Stimmen geholt; plötzlich galt der Parteichef nicht mehr als Loser, der abserviert gehört, sondern als Tagessieger mit Option auf Weiterbeschäftigung.

Philipp Rösler nutzte den Moment der Stärke. Er kündigte an, den Parteitag auf den März vorziehen zu wollen. Dann erklärte er Fraktionschef Rainer Brüderle zum Spitzenkandidaten für den Bundestagswahlkampf. Schließlich bot Rösler dem 67-Jährigen gar den Parteivorsitz an.

Es war ein Coup. Nur Entwicklungsminister Dirk Niebel und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger waren für Brüderle als Parteichef, sodass das Präsidium dem anschließend tagenden Vorstand vorschlug, das Duo Rösler/Brüderle abzusegnen.

Im Laufe dieser Vorstandssitzung soll ein Teilnehmer gefragt haben, was an dem Gerücht dran sei, ein hochrangiges FDP-Mitglied habe Mitte Januar bei dem Umfrageinstitut Infratest Dimap angerufen, um das FDP-Ergebnis nach unten korrigieren zu lassen. Im Ländertrend vom 10. Januar lag die Partei erstmals nach Monaten wieder bei 5 Prozent – jedes Ergebnis darunter hätte die Chancen auf den Wiedereinzug in den Landtag von Hannover noch mehr gemindert.

Nimmt man also bei den Liberalen die Schädigung der Partei in Kauf, um den Vorsitzenden leichter stürzen zu können?

Bei Infratest Dimap erklärte man gegenüber der Welt, es habe „keine solche Einflussnahme gegeben“. Und Peter Blechschmidt, Sprecher der Bundes-FDP, sagt auf taz-Anfrage, es gebe „keinerlei Beleg, dass es das gegeben hat. Ob dieses Gespräch stattgefunden hat, weiß niemand außer den beiden, die es angeblich geführt haben.“ Die Welt äußerte den Verdacht, Hans-Jürgen Beerfeltz könne der ominöse Anrufer gewesen sein. Der 61-Jährige ist heute Staatssekretär im Entwicklungsministerium, das dem erklärten Rösler-Kritiker Dirk Niebel untersteht.

Gleichwohl wird der Vorhalt kaum zu belegen sein. Was bleibt, ist die Frage nach der Verfasstheit der Parteiführung, nach den Regeln des politischen und menschlichen Miteinanders. Ein Mitglied des FDP-Bundesvorstands sagte gegenüber der taz, der Vorgang sage „weniger über die Parteiführung aus als über den geistigen Zustand eines Einzelnen in der erweiterten Parteiführung“. Im Gegensatz zur Piratenpartei jedoch „findet bei den Liberalen solch ein Verhalten niemand tolerabel. Wäre die Quelle sicher, gäbe das ein Parteiordnungsverfahren.“ ANJA MAIER