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Archiv-Artikel

Hertha-Management zählt die Schulden

Kurz vor der Mitgliederversammlung dementiert Hertha BSC Gerüchte, der Verein stünde vor der Pleite. Ausgelöst wurden die Spekulationen von Sportsenator Böger (SPD) sowie durch verspätet ausgezahlte Prämien für die Spieler

Nächste Woche ist es wieder so weit: Am kommenden Montag lädt Hertha BSC traditionell zur Mitgliederversammlung. Wie jedes Jahr werden dann die Geschäftszahlen bekannt gegeben. Die sind, auch das war zur Tradition geworden in Berlin, in den vergangenen drei Jahren nicht sonderlich positiv ausgefallen. Hertha schrieb tiefrote Zahlen. Eine wirklich beruhigende Bilanz wird der Verein auch in diesem Jahr nicht vorlegen können: 30 Millionen Euro Verbindlichkeiten belasten den Club.

Am Wochenende wurden Gerüchte laut, Hertha befinde sich am Rande der Zahlungsunfähigkeit, die Lizenz für die kommende Saison sei gefährdet, der Club stehe kurz vor der Insolvenz. Ausgelöst wurden die Spekulationen durch Aussagen von Sportsenator Klaus Böger (SPD). Er hatte eine Mietpreissenkung für den Fußballbundesligisten im Olympiastadion verteidigt. Das sei, so wurde er zitiert, notwendig, „weil sonst die Existenz von Hertha BSC und die Bundesligalizenz auf dem Spiel stehen“. Der Senat ist als alleiniger Inhaber der Betreibergesellschaft des Olympiastadions für die Vermietung des renovierten Ovals zuständig.

Die mit Hertha BSC vereinbarte Stadionmiete wurde unter der Woche von jährlich 5,8 Millionen Euro auf 4,75 Millionen Euro gesenkt. Zudem erlässt die Betreibergesellschaft Hertha ein Darlehen über 1,8 Millionen Euro. Bögers Aussage und die Zahlen legen in der Tat die Vermutung nahe, dass Hertha kurz vor der Pleite steht.

Auch für den finanzpolitischen Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Jochen Esser, lag zumindest bis gestern Mittag der Schluss nahe, dass dem so ist. Haushaltsrechtlich seien die Mietsenkung und der Schuldenerlass nur in besonders begründeten Ausnahmefällen möglich. Sollte Hertha BSC Liquiditätsprobleme haben, liege ein solcher Ausnahmefall vor.

Auch die Tatsache, dass Hertha die Erfolgsprämien des Monats September erst jetzt und nach Protest der Spieler ausgezahlt hat, passt da ins Bild. Läge keine Notlage bei Hertha vor, hätte die grüne Opposition laut Esser in der vergangenen Woche, als die Mietpreissenkung verkündet wurde, lauthals protestiert. Böger scheint Hertha, was die Finanzen betrifft, regelrecht schlechtgeredet zu haben, um die neue Preispolitik der Betreibergesellschaft zu rechtfertigen.

Hertha: positive Bilanz

Doch bei Hertha wird heftigst dementiert, dass sich der Verein in Liquiditätsschwierigkeiten befindet. Geschäftsführer Ingo Schiller kündigte an, auf der anstehenden Mitgliederversammlung das erste Mal seit vier Jahren eine positive Bilanz vorzulegen. Und Manager Dieter Hoeneß versicherte: „Unsere Lizenz war und ist nicht gefährdet.“

Doch wenn der Verein so gesund sein sollte, wie es die Verantwortlichen versichern, warum sinkt dann der Mietpreis für das Stadion? Subventioniert der Senator hier ohne Not den Wirtschaftsbetrieb Hertha BSC?

Klaus Böger relativierte gestern seine Aussagen zur bevorstehenden Hertha-Pleite: Der Fußballverein würde nur dann Pleite gehen, wenn er so viel Miete zahlen müsste, wie die Betreibergesellschaft benötigt, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. Aha. „Die Kuh, die man melken will, darf man nicht schlachten“, lautet das Böger’sche Motto für die Hertha-Subventionen. Genaueres will er nicht sagen – außer: „Die Verhandlungen im Vermögensausschuss unterliegen der Vertraulichkeit.“

„Die Betreibergesellschaft ist natürlich in einer Situation der Erpressbarkeit gegenüber ihrem Hauptmieter“, sagt Jochen Esser. Auch so kann man das Sprichwort von der Kuh, die gemolken werden will, verstehen.

Andreas Rüttenauer