: Die Neonazi-Staatspartei
RECHTSEXTREMISMUS Der Schatzmeister der NPD wurde wegen Betrugs angeklagt, auch in anderen Prozessen geht es der Partei ans Geld. Das finanzielle Aus droht ihr deshalb nicht
VON ANDREAS SPEIT
Wegen Veruntreuung von Parteigeldern ist der ehemalige NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna bereits in Haft. Die Staatsanwaltschaft Münster klagt ihn jetzt wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Verstoßes gegen das Parteiengesetz an. Mit „wahrheitswidrigen Angaben“, erklärt Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer der taz, seien im Zeitraum von 2002 bis 2006 über 270.000 Euro Staatsmittel erschwindelt worden.
Die neuen Vorwürfe beruhen auf der Auswertung von Akten aus einem älteren Verfahren. 2008 verhängte das Landgericht Münster gegen Kemna die Haftstrafe, da er über 740.000 Euro von den Parteikonten auf seine Privatkonten leitete, um sein marodes Küchenstudio zu retten. Auf ein Chaos von Akten waren Ermittler damals im Haus des langjährigen Getreuen des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt gestoßen. Experten des Landeskriminalamts konnten nun die NPD-Buchführung rekonstruieren. Mit dem Hochrechnen von Spendeneinnahmen und Mitgliedsbeiträgen habe sich die NPD „unberechtigte Zuschüsse“ erschlichen, erläutert Schweer. Ihre Ermittlungen gegen Voigt wegen Verdacht der Mitbeteiligung habe sie an die Staatsanwaltschaft abgegeben.
Udo Voigt verkündetet indes in einem Video auf der NPD-Seite: Die Ermittlungen sollten die Geldgeber der Partei verunsichern. Davon werde man sich nicht beeindrucken lassen. Seine Partei sei nicht zahlungsunfähig.
Das ist keine reine Propaganda: Obwohl eine mögliche Verurteilung von Kemna für die Partei zu einer Strafzahlung in doppelter Höhe des Fehlbetrages führen kann. Und obwohl der NPD auch eine Strafzahlung von 1,27 Millionen Euro nach dem Rechtsstreit mit der Bundestagsverwaltung droht – zu einer Parteipleite wird dies kaum führen. Christian Hoose von der Bundestagsverwaltung sagte der taz, dass die Verwaltung dann eine Regelung mit der Partei finden muss, die ihre Arbeit nicht unmöglich macht. Das Grundgesetz schützt die NPD.
„Nach dem Gleichheitsgrundsatz müssen wir die NPD wie alle anderen Parteien behandeln“, erklärte Hoose. Auch andere Parteien durften schon Schulden in Raten abstottern. Rechtsstreitigkeiten verhindern zudem nicht die Ausschüttung der staatlichen Mittel. 2008 erhielt die Bundes-NPD so 1,5 Millionen Euro.
Auch der Rechenschaftsbericht der NPD für das Jahr 2007 zeigt, dass es der Partei schon schlechter ging. Nach Gegenüberstellung von Schuld- und Besitzposten hatte sie ein Reinvermögen von mehr als 93.000 Euro. Diese Situation dürfte aktuell in etwa die gleiche sein, denn der Rechenschaftsbericht 2007 ist noch immer die Grundlage für die aktuelle staatliche Bezuschussung. Grund: Der Rechtsstreit zwischen NPD und Bundestagsverwaltung über die Höhe der Staatszuwendungen ist noch nicht abgeschlossen.
2006 ging es der Partei laut Rechenschaftsbericht weitaus schlechter: Damals schloss sie das Jahr mit einem Minus von knapp 162.000 Euro ab.
Die Unterlagen der Bundestagsverwaltung zeigen außerdem, dass die NPD seit 2003 ihr Geld zunehmend weniger von Bankinstituten und mehr von Privatpersonen leiht. In 2007 wies die NPD in ihrer Bilanz Darlehen in Höhe von 1,5 Millionen Euro von Privatpersonen aus. Gegenüber 2003 sei das „fast eine Verzehnfachung“, heißt es aus der Bundestagsverwaltung.
Zudem belegen die Statistiken des Deutschen Bundestags, dass die Partei durch den Staat finanziert wird, den sie abschaffen will. Von 1998 bis 2007 sind die Staatszuschüsse von 300.000 Euro auf fast 1,5 Millionen Euro gestiegen. Der NPD ist hier ein Wandel ihrer Finanzierung gelungen. 1998 machten 64 Prozent des Haushalts Spenden aus, dem gegenüber standen 14,7 Prozent Staatsmittel. 2007 haben sich die Werte fast umgekehrt: Der Anteil der Spenden lag bei 28,1 Prozent, der der Staatsbezuschussung bei 47 Prozent.
Gern betont die NPD, dass die anderen Parteien sich kräftig aus den Staatskassen bedienen würden. Die „Festsetzung der staatlichen Mittel für das Jahr 2008“ durch den Bundestag zeigt, dass die „Staatsquote“ – der Anteil der staatlichen Mittel gegenüber den selbst erwirtschafteten Eigeneinnahmen des Vorjahres – aller Parteien bei durchschnittlich 31 Prozent liegt. Die Quote der NPD liegt mit 48 Prozent weit über dem Durchschnitt der anderen Parteien. Ein Vergleich: Bei der SPD beträgt sie 28 Prozent.