: Drückender Schuh
Bei den Kombinierern ist ein Konkurrenzkampf zwischen Björn Kircheisen und Ronny Ackermann entbrannt
KUUSAMO taz ■ In der nordischen Kombination gibt es keine Regelung, wann und wie der Kronprinz den König ablöst. Zum Prinzipal seiner Disziplin wurde Ronny Ackermann, 28, weil er in Oberstdorf bei der WM zwei Titel gewonnen und sich souverän zum Star des Winters aufgeschwungen hatte. Mit Silber bei der WM ist Björn Kircheisen jener Kronprinz, der genauso erfolgreich werden könnte wie Ackermann. „Er hat unglaublich gute Anlagen“, sagt sein Trainer Hermann Weinbuch.
Doch Ackermanns Verhältnis zu seinem möglichen Nachfolger im Team ist schwierig, zu begutachten war das im März in Lahti kurz vor Saisonschluss. Kircheisen gewann vor Ackermann, der danach schimpfte, dass der sechs Jahre jüngere Kollege in der Loipe keine Führungsarbeit geleistet und den Sieg nur abgestaubt habe. Aus dieser Episode hat Kircheisen seine Lehren gezogen: „Ich konzentriere mich jetzt ganz auf mich. Früher war es schon so, dass ich immer zu Ronny geschielt habe, mich an ihm orientiert habe. Aber jetzt nicht mehr“, sagt er vor dem Saisonstart am Wochenende im finnischen Kuusamo.
Ackermann ist der Blick zum Gegner seit jeher fremd, längst hat er genügend Selbstbewusstsein entwickelt. „Ich schaue prinzipiell nur auf mich.“ Damit, so scheint es, hat er vor Saisonbeginn genug zu tun. Ihn drückt der Schuh. Auch vor der WM hatte er Probleme mit dem Sprungschuh, an ein neues Modell wollte er sich nicht gewöhnen, und die alten Schuhe „sind schon fast auseinander gefallen“, wie Weinbuch schildert. Weltmeister geworden ist Ackermann mit diesem strapazierten Paar Schuhen. Vor der Olympiasaison ist der perfekte Schuh nicht gefunden, „aber ich habe mich jetzt auf ein Modell festgelegt, mit dem ich es jetzt einmal probiere“, sagt Ackermann.
Er und Kircheisen reden nicht gerne übereinander, und so erläutert der Trainer das Klima in der Mannschaft. „Es macht dem Ronny zu schaffen, wenn der Björn stark auftrumpft und im Training manchmal besser ist.“ Zu offen ausgetragenen Reibereien dürfe es nicht kommen, „Da müssen wir Trainer aufpassen. Ich hoffe eher, dass sich der Konkurrenzkampf in positiver Energie entlädt und die ganze Mannschaft dadurch noch ein wenig vorankommt.“
Ackermann und Kircheisen sind unterschiedliche Charaktere, und doch sind sie beide Hoffnungen für die Olympischen Spiele in Turin. Sie sind Favoriten auf Einzelmedaillen, und sie sollen das Team so stärken. „Der Druck stört mich nicht. Siege kann man nicht planen, aber eine Medaille erhoffe ich mir schon“, sagt Ackermann, dessen Stimme immer laut und klar ist, der sagt, was er denkt und zuweilen auch ruppig wird. Björn Kircheisen spricht viel leiser, manchmal verhaspelt er sich.
Vor allem im Springen musste Kircheisen bis zu WM-Silber 2005 ein langes Tief durchschreiten. 2002 hatte er noch innerhalb von nur 48 Stunden drei Weltcup-Rennen gewonnen, doch die Erfolgswelle verebbte schnell, als er seinen Sprungstil dem neuen Reglement anpassen musste. Ein schwieriger Prozess, der viele Nerven kostete und Kircheisen oft verzweifeln ließ. „Das war hart. Ich musste komplett neu anfangen, auf kleinen Schanzen wieder das Gefühl für den Absprung entwickeln.“ Dieses Gefühl hat er jetzt wiedergefunden, „meine Sprünge sind stabiler“, sagt er. Kircheisen müsse trotz seiner Begabung für den Winterzweikampf noch viel lernen, findet Weinbuch. „Ronny ist ihm mental weit voraus, Björn ist noch unsicher und schüchtern.“ Das unterscheidet einen König von einem Kronprinzen.
KATHRIN ZEILMANN