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Dresdner DatenaffäreDie Polizei wird persönlich

Das sächsische Innenministerium sprach bisher von 460 Fällen, in denen die Polizei Namen und Adressen von Handynutzern ermittelte. Nun sind es doch 40.700 Fälle.

Der sommerliche Telefonflirt kann noch so harmlos gewesen sein - womöglich ist der Anrufer doch bei der sächsischen Polizei aktenkundig geworden. Bild: imago/Steinach

DRESDEN taz | Trotz massiver Kritik betreibt die sächsische Polizei weiterhin massenhaft die detaillierte Auswertung von Handydaten. Wie aus einer nun veröffentlichten Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Henning Homann (SPD) hervorgeht, haben die Ermittlungsbehörden inzwischen in über 40.000 Fällen die Namen, Adressen und Geburtsdaten, also sogenannte Bestandsdaten von Handynutzern ermittelt, die im Februar anlässlich zweier Großdemonstrationen in Dresdens Innenstadt telefoniert haben. Bislang hatte das sächsische Innenministerium lediglich von 460 Fällen gesprochen.

Bei Anti-Nazi-Protesten am 13. und 19. Februar diesen Jahres in Dresden hatte sich die Polizei von Telekommunikationsunternehmen im Rahmen sogenannter Funkzellenauswertungen über eine Million "Verkehrsdaten" von rund 330.000 Anwohnern, Demonstranten, Politikern, Anwälten und Journalisten liefern lassen. Diese umfassten die Rufnummern, Verbindungsdaten und Standorte vonHandynutzern während der Demonstrationen.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der aufgrund der Maßnahme massiv in die Kritik geraten war, hatte daraufhin betont, dass lediglich in 460 Fällen auch die Bestandsdaten erfasst worden seien. Im Schreiben seines Ministeriums an den Abgeordneten Homann heißt es nun: "Bisher wurden 40.732 Bestandsdaten abgefragt."

Nur Stück für Stück wird öffentlich, wie detailliert und massenhaft in Dresden Handydaten ausgewertet werden. Erst am Samstag hat die taz berichtet, dass schon im Juni 2010 am Tag einer Demonstration gegen Nazis eine Funkzellenauswertung gemacht wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte den Fall der taz am Freitag bestätigt, auch wenn sie keine konkreten Angaben zu Umfang, Dauer und Reichweite machte. Sachsens Justizminister Jürgen Martens (FDP) allerdings hatte noch am Donnerstag in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Jähnigen (Grüne) betont, er habe keine Kenntnis von Funkzellenauswertungen im Rahmen von Demonstrationen im Jahr 2010. Auch die Staatsanwaltschaft hatte darauf verwiesen, dass die Auswertungen nicht im Zusammenhang mit der Demonstration gestanden habe. Am Abend des besagten Tages hätten Unbekannte eine rechten Szeneladen mit Eisenstangen und Pflastersteinen angegriffen. Darum sei es bei der Funkzellenauswertung gegangen.

"Kein Ende der Fahnenstange in Sicht"

Nur ist in einer Ermittlungsakte, die der taz vorliegt, zu lesen von einer "Verkehrsdatenauswertung Josephinenstraße/Demo". Und im unmittelbaren Zusammenhang dazu wird im Dokument darauf hingewiesen, dass es sich um die Auswertung von Funkzellendaten gehandelt habe. Fraglich ist, warum der Justizminister von dieser Funkzellenauswertung keine Kenntnis gehabt haben will. Er muss sich, bevor er eine kleine Anfrage beantwortet, kundig machen.

Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion in Sachsen, sagte der taz: "Der Justizminister sagt offensichtlich nicht die ganze Wahrheit. Entweder hat er hier Fakten unterschlagen oder er ist tatsächlich nicht informiert. Beides ist bei einem Minister nicht hinzunehmen. Erst recht nicht vor dem Hintergrund der Brisanz, die das Thema hat."

Der Landesvorsitzende der Linkspartei, Rico Gebhardt, meinte: "Mich überrascht in Sachsen inzwischen überhaupt nichts mehr. Die maßlose Anwendung von Funkzellenauswertungen ist einfach nur noch abenteuerlich." Gebhardt sei sich sicher, "dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist."

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16 Kommentare

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  • A
    Anarcha

    Mit Anarchie hat das nix zu tun. Eher mit Anomie.

  • F
    Flachatmer

    Was ist denn hier los? 13:30 und noch kein Brüllaffe mit "total wichtig, Sicherheit blabla wie sollen die denn sonst blabla alles Einzelfälle blabla Hochtechnologie der Terroristen blabla tiefer hängen blabla linke Gewaltbereitschaft und brennende Autos blabla faules Hartz4-Pack blabla aber zum Glück Rechtsstaat blabla nix passiert, bitte weitergehen." am Start? Verweigern die grad nach dem Showdown ihres Osloer Vortänzers kollektiv die Leistung?

  • MR
    Martin Rieth

    Wir sollten in Deutschland die verbeamteten "Datenschutzbeauftragten" entweder abschaffen oder mit Kompetenzen ausrüsten, dass sie auch was ausrichten dürfen/können.

    Wir brauchen Verbeamtete Datenschützer mit dem Recht und der Pflicht den Staat, facebook, google+ etc. zu verklagen und offensichtliche Verstöße zu verfolgen. Die Posten dürfen nicht Abschiebeposition für unliebsame aber unkündbare Beamte sein.

    Die Art wie alle Regierenden die Arbeitsergebnisse von Peter Schaar komplett ignorieren ist ein gutes Beispiel was in D schief läuft. #Piratenpartei wählen.

  • A
    aurorua

    Die Fortführung der STASI-DIKTATUR mit neuen Mitteln.

    Dieses Pack lässt sich vom Volk wählen um dann jene denen sie ihre Macht verdanken zu belügen, zu betrügen und zu täuschen. Ihre berechtigte Angst vor den Bürgern versuchen sie durch totalitäre Überwachung zu kompensieren, weil sie sich ihrer Niedertracht und Falschheit den Wählern gegenüber voll bewusst sind.

    So wird Unfrieden und RECHTER wie LINKER Terror forciert, denn irgendwann hat auch der Michel mal die Schnauze voll.

    Ich vermute das die nächste Generation Terroristen sich nicht nur ein paar poplige Politiker, Juristen und Verbandshansel greift, nein diesmal sind auch die eigentlichen HERRSCHER aus Wirtschaft und Großfinanz an der Reihe. Politiker wird man dann bestenfalls als Lateralschaden in Kauf nehmen.

    Es muss ja leider immer erst knallen und krachen, bis jemand auf die Idee kommt "mehr Demokratie wagen" (Willy Brandt).

  • V
    Ver-Fassungslos

    Prima.

    Rechtsstaatlichkeit?

    Offenbar sind einige "gleicher als andere" und unterliegen einem anderen Recht in diesem unseren Lande.

     

    Und der ewige Aufschrei danach kriminelle Subjekte härter zu bestrafen?

    In diesem Fall bin ich ausnahmsweise sehr dafür - habe aber leider nicht die nötige strukturelle Gewalt in Händen.

     

    Und vor diesem Hintergrund soll ich Jugendlichen erlären, dass sie mit Jugendarrest rechnen müssen, wenn sie 3x schwarfahren, weil das ja rechtswidrig ist?

    Ach stimmt - da geht es ja um echte Geld-Werte - da hört der Spaß schließlich auf. So immaterieller Besitz wie Privatsphäre ist schließlich Kinderkram - steht in der Verfassung halt nur so drin, weil sowas nach dem 3. Reich ganz gut aussah...soll ja auch eh geändert werden, näch?

     

    Jo! Diese "Demokratie","Freiheit" und "Rechtsstaatlichkeit" sollten wir wirklich dringend weiter exportieren und anderen Ländern "notfalls mit Gewalt" aufzwingen.

    Weitermachen.

  • BB
    Big Brother

    Danke Taz und bitte bei diesem Thema hart dranbleiben! Bitte berichtet auch umfangreich über die Gegenmassnahmen - das wird aus dem Artkel nicht ganz klar - wer klagt, gibt es überhaupt Klagen, welche weitere Massnahmen gegen diese Entwicklungen sind bereits im Gange oder geplant, wie kann man sich beteiligen? Danke!

  • KA
    Kay Abendroth

    Warum sind der sächsische Innen- und Justizminister noch immer im Amt?

  • M
    maoam

    Absurde Ironie, wenn die, die NUR dazu 'da sind' Gesetze und die Einhaltung durchzusetzen, selbst anarchistisch agieren.

  • RE
    Rah Ering

    Sächsische Sicherheitsbehörden & Datenschutz

     

    Auch die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entwickelt sich in Sachsen mittlerweile zum Problem – nicht nur aus datenschutzrechtlicher Sicht. “police private partnership“ (ppp) und “public private security“ (pps), also Partnerschaften zwischen der Polizei und Sicherheitsunternehmen und Sicherheitsunternehmen die für Städte (z.B. Plauen) und Gemeinden für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen, werden in diesem Bundesland stetig ausgebaut, obwohl diese Modelle oftmals gegen den Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz sowie den Datenschutz verstoßen.

    Gerade im Zusammenhang mit pps, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch “öffentliche Private“ (Sicherheitsfirmen), kann der Datenschutz gar nicht eingehalten werden! Bereits vor Jahren gab es Pläne die öffentliche Videoüberwachung in Sachsen zu privatisieren und in die Hände von Sicherheitsunternehmen zu geben. Vertreter der Sächsischen Polizei waren übrigens dafür!

  • W
    W.Lorenzen-Pranger

    >>Das sächsische Innenministerium sprach bisher von 460 Fällen, in denen die Polizei Namen und Adressen von Handynutzern von MARTIN KAUL

    ermittelte. Nun sind es doch 40.700 Fälle.

  • B
    Betroffener

    Ich selbst war auch bei der Demo und auch in der Ecke der Stadt. Ich hab mehrerere SMS und Bilder verschickt. Ich war selbst (so wie 99.9% aller anderen auch) friedlich. Schön zu wissen das ich jetzt wahrscheinlich in irgendeiner Polizeidatenbank für Gewalttäter bin, weil ich mein Handy benutzt habe....toll!

    Und der ehem. Polizeipräsident hat mittlerweile eine neuen Posten (natürlich auch eine Führungsrolle)...man hat im Kreis Stühle gerückt:

     

    Herr Hanitsch (ehem. Dresdner Polizeichef) übernimmt das Amt von Herrn Georgie(Chef Landespolizeidirektion Zentrale Dienste), Herr Georgie übernimmt das Amt von Herrn Kroll(Chef Polizeidirektion Südwestsachsen) und Herr Kroll...tadadadadaaaaa....bekommt den Posten von Herrn Hanisch und wird neuer Polizeipräsident in Dresden.

    Wer hat diesen Mist mit der Handyüberwachung Aller überhaupt angeordnet? Warum werden nicht die Verantwortlichen bestraft und stattdessen nur ein paar Bauernopfer gebracht und Posten hin und her geschoben?

  • V
    vic

    Gestern 470, heute 40 700. Und morgen?

    Ich sach nur - Sachsen!

    Doch Sachsen gibt es öfter als manche denken in diesem Land.

  • NA
    Nicole Achter

    Ulbig muss gehen und mit ihm alle Entscheidungsträger, die unser Grundgesetz, unsere Meinungsfreiheit, unser Recht auf Privatsphäre rücksichtslos untergraben. Parallel dazu sind dringend Rechtsnachhilfe für Beamte i. Polizei u. Staatsanwaltschaft angesagt. Dresden/Sachsen ist nicht nur auf dem Weg zum Polizeistaat, es ist bereits angekommen.

  • A
    aida

    "Horch & Guck" reloaded

  • P
    pablo

    "Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Aber wo geht sie hin?"

    Bertolt Brecht

  • R
    Realo

    Gresden ist kein Einzelfall. Die deutschen Politiker waren immer verlogen und Bürger verachtend. Daran wird sich auch nichts ändern, denn die meisten Politiker haben keine demokratische Legitimation. Geringer Stimmenanteil an der Gesamtbevölkerung oder gar nur über einen Listenplatz im Parlament.

    Da sie den Bürger nicht fürchten müssen interessiert sie seine Meinung auch nicht wirklich. Jede Wahl bestätigt dies.

    Da kann man nur mit Heinrich Heine sagen: "Wenn ich an Deutschland denke in der Nacht, dann werd ich um den Schlaf geracht."