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Archiv-Artikel

Wunderbare Diva

Peter Sempel hat seine Doku „Nina Hagen – Punk & Glory“ auf DVD veröffentlicht

Er sei einer jener „Leute, deren Talent schwer zu definieren ist“, schrieb vor etlichen Jahren Kristof Schreuf in dieser Zeitung über den Zelluloid-Weltenbummler Peter Sempel. Seit zweieinhalb Jahrzehnten dreht, ach was, schafft das „unermüdliche Faktotum unter den Hamburger Filmemachern“ (Birgit Glombitza) zumeist mit nahezu nicht existenten Budgets und umso mehr Enthusiasmus vordergründig wild-wirre Streifen über – so Sempel selbst – „outsider der Kultur“, auf die das von Schreuf zitierte Bonmot Andy Warhols ebenso passt: Allen Ginsberg, Jonas Mekas, Nick Cave und Blixa Bargeld, Patti Smith, Dennis Hopper, Lemmy Kilmister oder den Butoh-Tanz-Großmeister Kazuo Ohno. Oder eben über Nina Hagen.

Zur Idee, der längst allerorten zur Mutter des deutschen Punk geadelten Exil-Berlinerin eine Dokumentation zu widmen, habe Jim Rakete, Starfotograf, zu ihm gesagt: „Peter, lass das sein, das ist nicht möglich“, wie Sempel im Audiokommentar zum soeben vorgelegten „Director‘s Cut“ von „Nina Hagen – Punk & Glory“ wissen lässt.

Kaum ein Dokumentarfilm im Sinne geordneter Faktenaufbereitung oder gezielter Wissensvermittlung ist denn auch „Punk & Glory“, 1999 erstmals veröffentlicht: Eher ein frei assoziierter Versuch über eines der vielleicht bedeutsamsten (pop-)kulturellen Exportgüter, die die Welt diesem Land im späten 20. Jahrhundert zu verdanken hatte; „Eigentlich könnt ihr aufhören zu gucken nach dieser Szene“, sagt, nach noch nicht mal zwei Minuten, Sempel im aufschlussreichen DVD-Regiekommentar angesichts der ersten von vielen erklärten Lieblingsstellen. Nicht von ungefähr: Zuallererst zeigt der Filmemacher sich auch in diesem erklärt „sehr freien Dokumentarfilm“ als Fan.

Kaum überraschend gibt es da Menschen, auch Rezensenten, die mit dieser, sagen wir: wenig narrativen Arbeitsweise wenig anfangen können. Auch „Punk & Glory“ verquickt scheinbar willkürlich Bildmaterial aus rund 20 Jahren, gelegentlich ein wenig redundante Statements mehr oder minder legendärer Gewährspersonen und viel, viel Musik – nur unter anderem von ihr selbst –, ohne dass „man“ im eigentlichen Sinne etwas über Hagen „erfährt“, wie es, wiederum in dieser Zeitung, einmal bemängelt wurde. Was mehr über des Kritikers Idee von ordnungsgemäßer Sinnstiftung aussagen mag denn über den schmuddelig-roten Faden in „Punk & Glory“. „Was ich nicht erklären kann“, so Sempel im vergangenen Jahr, „halte ich fest, damit ich es noch mal erleben kann.“ Alexander Diehl

Die „Director‘s Cut“-DVD von „Nina Hagen – Punk & Glory“ (94 Minuten, rund 60 Minuten Bonusmaterial, Untertitel und Audiokommentar) ist am 25. November bei creARTive Film erschienen (Vertrieb: Soulfood)