: Ein Sturm zieht auf am Spreeufer
STREIT UM WOHNTURM
Vielleicht hätte irgendjemand dem Investor Maik Uwe Hinkel erklären müssen, dass es nicht immer zielführend ist, Öl ins Feuer zu gießen. Vor allem dann nicht, wenn man am Friedrichshainer Spreeufer einen Luxuswohnturm bauen will. Dass Platzverbote, wie von ihm ausgesprochen, die Gegner einer solchen Aufwertung eher anstacheln als abschrecken. Und dass es in Friedrichshain-Kreuzberg schon einmal ein Symbol des Widerstands gegen Gentrifizierung gab: Car-Lofts nannte sich diese Wohnform mit Autostellplatz auf der Etage. Er bekam monatelang Steine und Farbbeutel ab.
Vielleicht wusste Franz Schulz nicht recht, was Worte auslösen können. Vielleicht war es auch der Frust, der den grünen Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg verbal aufrüsten ließ. „Das meistgehasste Bauvorhaben im Bezirk“, nannte Schulz das „Living Bauhaus“, das Hinkel bauen will. Es könne gut und gerne zum „Hassobjekt“ werden, so schätzte Schulz.
Erneut wird wieder um ein Mediaspree-Bauprojekt gestritten. Mit glasklaren Fronten: Hier der Bezirk, der das Luxus-Hochhaus gerne verhindert hätte, sowie viele Bewohner, die steigende Mieten und Gentrifizierung befürchten. Dort der Investor, der vom Senat unterstützt wird und seiner Profitgier sogar noch ein Stück East Side Gallery opfert, wie am Freitagmorgen geschehen. Gut möglich, dass das Living Bauhaus in den kommenden Monaten noch Carl-Loft-artige Schlagzeilen macht. Der Umfang der Proteste gegen die Umsetzung der Mauerstücke lässt einiges erahnen.
Allerdings ist schon merkwürdig, dass die Clubszene erst jetzt entdeckt, was da hinter der East Side Gallery geplant ist. Hat sich da bislang denn keiner für das interessiert, was an der Spree passiert? Der Protest kommt jedenfalls reichlich spät und wurde wohl erst von jener Computeranimation ausgelöst, die Hinkel ins Netz gestellt hat. So deutlich hat noch kein Bauvorhaben seinen noblen Anspruch zur Schau gestellt. Doch verhindern lässt sich das Hochhaus nicht mehr, die Baugenehmigung ist erteilt.
Die alternativen Projektentwickler vom Holzmarkt, die an der Spree-Entwicklung auch beteiligt sind, haben beim Protest gar nicht erst mitgemacht. Vielleicht, weil sie wissen, dass auch sie als nächstes an der Reihe sein können – als „linke Hassobjekte“. Manch einer wird kaum einen Unterscheid machen, ob für den Verlust von Spreegrundstücken nun ein „guter“ Bauherr verantwortlich ist oder ein „böser“.
UWE RADA
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