Perfekter Lauf

EISHOCKEY Bei Travis James Mulock passt gerade alles: Der Stürmer der Eisbären liefert eine tolle Saison ab. Nun steht er vor dem Sprung in den Olympiakader. Ähnlich erfolgreich ist sein Team, das das zehnte Spiel in Folge gewann

In kurzer Zeit wurde er vom Zweitligaspieler aus Tölz zum besten Eisbären-Scorer mit deutschem Pass

VON JOHANNES KOPP

Die vergangenen Wochen waren nicht leicht für Travis James Mulock. Der 24-Jährige hatte sich nämlich vorgenommen, nicht an das zu denken, wonach er täglich von Journalisten, Bekannten, Freunden und seiner Familie gefragt wurde: ob man denn mit ihm bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver in wenigen Wochen rechnen könne? Ob denn Uwe Krupp, der Bundestrainer der deutschen Eishockeynationalmannschaft, ihn nominieren würde?

Olympische Spiele sind für Leistungssportler ohnehin ein magisches Ziel. Aber Mulock, der seit dieser Saison für die Eisbären Berlin stürmt, verbindet noch mehr mit dem großen Ereignis in Kanada: Es wäre die Rückkehr in seine Heimatregion, die er vor drei Jahren als 21-Jähriger verlassen hatte, weil er sportlich keine Entwicklungschancen mehr für sich sah. Die winzige Pforte zur nordamerikanischen National Hockey League (NHL), der besten Liga der Welt, blieb ihm damals verschlossen.

Nun wird er aller Wahrscheinlichkeit nach vom 13. Februar an beim olympischen Turnier mit Dutzenden von NHL-Spielern zusammentreffen. Bundestrainer Krupp hat ihn zum Jahresende in den engeren, aber noch vorläufigen 23-köpfigen Olympiakader berufen. Er bekam damit noch den Vorzug vor dem bestbezahlten deutschen NHL-Profi Jochen Hecht, der es nur in den erweiterten Kader schaffte. Mulock freute sich dennoch nur sehr verhalten: „Ich bin einen Schritt näher an meinem großen Ziel.“

Zuletzt hat Mulock seinen Verwandten noch beharrlich abgeraten, die rund 200 US-Dollar teuren Eintrittskarten zu kaufen. Er wollte andere und vor allem sich selbst vor einer großen Enttäuschung schützen: „Es würde mir dann umso mehr das Herz brechen, wenn ich nicht dabei wäre.“ Es ist der große Erfolg des letzten Jahres, der den blonden Offensivspieler so verletzlich gemacht hat. Mulock erreichte mehr, als er jemals selbst zu hoffen gewagt hat.

Bereits im Februar 2008 wurde er erstmals von Uwe Krupp in den Bundeskader berufen – just als das Qualifikationsturnier für Olympia anstand. Mulock konnte das erst glauben, als man ihn die nötigen Papiere dafür unterschreiben ließ. Zurückblickend sagt der deutsche Nationalspieler: „An amazing experience“ – „eine unglaubliche Erfahrung“. Und keine einfache, wie er zudem gesteht. Er hatte nämlich eine zweifache Außenseiterposition inne. Zum einen kam er aus der Zweitklassigkeit und kannte keinen seiner neuen Teamkollegen aus dem Spielbetrieb; zum anderen beherrscht er deren Sprache nur rudimentär. Den deutschen Pass besaß er aufgrund seines Großvaters, der aus einer Gegend stammte, die einst zu Deutschland und heute zu Polen gehört. „Ich hatte schon die Befürchtung, dass seine Mitspieler denken könnten, ich gehöre nicht in diese Mannschaft“, sagt Mulock.

Im Eishockeysport sieht man das aber etwas lockerer als etwa beim Fußball, wo noch die Lippenbewegungen der Nationalspieler beim Abspielen der Hymne studiert werden. Zwar würde er von seinen Kollegen immer wieder angehalten werden, Deutsch zu sprechen, doch er habe sich bald akzeptiert gefühlt. Seine Mitspieler hätten gemerkt, dass er helfen könne, erklärt Mulock. Ist eine solche Erkenntnis einmal herangereift, dann ist Integration meist ein Kinderspiel.

T.J. Mulock weiß aus nächster Nähe, dass es nicht immer so glatt läuft. Sein älterer Bruder Tyson spielt schon seit fünf Jahren in Deutschland und bereits seit zwei Jahren bei den Eisbären Berlin. Doch im Vergleich zum Junior in der Familie bekommt er deutlich weniger Einsatzzeiten zugestanden und muss viel mehr um Anerkennung kämpfen. „Das kann schon sehr frustrierend sein“, so Mulock.

Trotzdem hat ihn das im Sommer nicht abgeschreckt, wie sein Bruder zum besten Verein der Deutschen Eishockey-Liga zu wechseln. Das spricht für sein Selbstbewusstsein. Der Bundestrainer ist von seinem unbändigen Einsatzwillen und von seiner Schnelligkeit auf dem Eis angetan. Bemerkenswert ist aber vor allem die Schnelligkeit, mit der sich Mulock an höhere Niveaustufen anpassen kann. Innerhalb kürzester Zeit ist er vom Zweitligaspieler aus Tölz zum Nationalspieler und zum derzeit besten Scorer der Eisbären mit deutschem Pass geworden.

Natürlich profitiert T. J. Mulock beim Wettstreit um ein Olympia-Ticket von der Stärke seiner Mitspieler. Die Berliner Eisbären dominieren derzeit die Liga. Neun Spiele in Folge blieb der Tabellenführer zuletzt ungeschlagen. Am Sonntag gegen Krefeld folgte zu Hause der zehnte Sieg: Mit 6:3 gewannen die Berliner klar. Nationalspieler Florian Busch steuerte einen Tag nach seinem 25. Geburtstag zwei Treffer für die Berliner bei.

Für Mulock scheint sich alles nach Wunsch zusammenzufügen. Vergangenen Mittwoch allerdings hätte nur wenig gefehlt, und der große Traum wäre dahin gewesen. Er verletzte sich im Spiel gegen Köln bei einem Zusammenprall. Zum Glück ist es aber „nur“ eine Stauchung der Halswirbelsäule. Der Deutschkanadier fühlt sich dadurch aber gewiss darin bestätigt, seine Vorfreude weiterhin klein zu halten.