Alte auf Tangenten

Der HVV kann mit seiner bisherigen Entwicklung zufrieden sein. Die nächsten Herausforderungen warten aber schon

Mit seinen jüngsten Projekten war der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) erfolgreich: Metrobusse und Nachtdurchfahrten werden gut angenommen. Image und Fahrgastzahlen haben sich verbessert. Seit der Erweiterung vor einem Jahr betreut er ein Gebiet 8.600 Quadratkilometern mit 3,3 Millionen Einwohnern. 1967, im ersten vollen Betriebsjahr, waren es 2,4 Millionen auf 3.000 Quadratkilometern. Die Erweiterung in die Fläche könnte dem Verkehrsverbund aber Probleme bereiten: Denn die Gesellschaft schrumpft, altert und individualisiert sich. Bei einer Tagung zum 40-jährigen Jubiläum wurde diskutiert, worauf sich der HVV einzustellen hat.

In den vergangenen 40 Jahren ist er mit der Zeit gegangen: 1972 bundesweit die ersten Busfahrerinnen eingestellt, 1980 eine zentrale Telefonauskunft eingerichtet, 1985 die erste Eintrittskarte mit einem Fahrschein kombiniert und 1989 Großkundenabos vereinbart.

Eines der jüngsten HVV-Angebote, die Schnellbahnen und wichtigsten Busse an Wochenenden nachts durchfahren zu lassen, hat sich als besonders erfolgreich erwiesen: Die Fahrgastzahl der Wochenendnächte hat sich auf 90.000 verdreifacht.

Ein großer Erfolg ist auch das 2001 vorgestellte Metrobusliniennetz. Durchschnittlich zehn Prozent mehr Fahrgäste habe man in den Korridoren der Metrobusse gezählt, sagte HVV-Geschäftsführer Peter Kellermann. Dabei seien vor allem auf den verbesserten Tangenten (Querverbindungen) überdurchschnittlich viel Fahrgäste hinzugekommen (plus 16 Prozent).

Der Erfolg dieser Tangenten-Linien, die möglichst viele Menschen ohne Umsteigen zum Ziel bringen sollen, soll jetzt auf die normalen Stadtbuslinien übertragen werden. Von den rund 220 Buslinien in Hamburg sind 24 als Metrobuslinien mit besonders schnellen Takten und einer eigenen Netzkarte herausgehoben. Auf ihnen fährt die Hälfte der Busfahrgäste.

Die Fahrziele werden immer individueller

An der wachsenden Bedeutung der Tangenten gegenüber den Radialverbindungen von der City ins Umland schlägt sich auch der gesellschaftliche Wandel nieder: Der Freizeitverkehr hat zugenommen, die Arbeitsplätze verteilen sich über die gesamte Stadt. Aus dem Massenverkehr, der eine große Menge von A nach B bringt, wird zunehmend ein Individualverkehr.

In den Landkreisen, die seit 2002 neu zum HVV gekommen sind, kommt ein Problem hinzu: Das flache Land wird sich leeren, je weiter weg von der Metropole desto stärker. Dafür kann Hamburg trotz des Bevölkerungsrückgangs in Deutschland mit einem Zuwachs rechnen, bis 2030 oder 2040 wohl auf gut zwei Millionen Menschen.

Angesichts steigender Energiepreise und abnehmender Subventionsneigung könnte sich die Mobilität auf dem Land stark verteuern. HWWI-Präsident Thomas Straubhaar forderte gestern, die Quersubventionierung von Fahrkarten einzustellen. Es sei effizienter, bedürftige Gruppen direkt zu untersützten, als alle Fahrkarten billiger zu machen.

Klar ist auch, dass sich der Nahverkehr künftig stärker selbst finanzieren muss. Erfahrungen mit dem Wettbewerb hätten gezeigt, dass sich damit Geld sparen lasse, sagte HVV-Geschäftsführer Lutz Aigner. Den jüngst diskutierten Einstieg der Deutschen Bahn bei der Hochbahn bewertete Kellermann kritisch: „Man muss aufpassen, dass die Strukturen, die in Hamburg immer ein Stück wettbewerbsfreundlich waren, erhalten bleiben.“ Gernot Knödler