: 50er-Jahre, verlogen und repressiv
betr.: „Ein feines Dokument“, taz vom 24. 11. 05, „Luft, die nach Freiheit schmeckte“, tazzwei vom 28. 11. 05
Jan Feddersen feiert nicht nur die „Zäsur“ in der Erkenntniswelt des Papstes, er feiert auch noch die im Moment laufende Dokumentation der 50er-Jahre.
Ich war in dieser Zeit Jugendliche und habe die Ethik und Moral sowie die Stimmungen der damaligen Epoche noch sehr gut in Erinnerung. Nicht allein deshalb, weil viele BundesbürgerInnen die Wiederkehr der Wehrmacht gut fanden und das Verbot der Kommunistischen Partei feierten sowie die damals massenhafte Inhaftierung der Kommunisten. Auch an den Schulen herrschten „Pädagogen“, die zu Beginn des Unterrichts erst mal schwärmerisch die verlorenen Ländereien in Ostpreußen beklagten und diese als rückeroberungswürdig ansahen. Sicherlich gab es auch andere, aber die Mehrzahl beweinte Deutschlands Niederlage, die als solche angesehen wurde und nicht als Befreiung von Faschismus.
Damals wie heute gibt es die so genannte Mehrheitsgesellschaft, in der genug leben, die noch mit der eigenen Unterdrückung und Ausbeutung aller Art zufrieden sind. Als Frau oder junges Mädchen in den 50er-Jahren wurde man auf dem Arbeitsamt nicht nur generell mit Du angesprochen, nein, der Hinweis auf Frauenberufe erfolgte auf dem Fuße, sobald der Wunsch nach Tischlerin, Elektrikerin oder Maurerin ausgesprochen wurde. Nicht zu vergessen das Scheidungsrecht, Erziehungsgewalt und andere Repressionen.
Die 50er-Jahre waren in meiner Wahrnehmung verlogen und repressiv, und das lag sicherlich nicht daran, dass ich in der ehemaligen „Stadt des KDF-Wagens“ meine Jugendzeit verbringen musste. Nicht zufällig wurde aus dieser Stadt Europas größte Automobilstadt mit einer Stadt in der Stadt, die für Autos ihre Tempel baute. Die Stadt als Beute trifft für Wolfsburg in jeder Beziehung zu, davon erzählen die Protagonisten nichts. Auch kein Zufall.
ILSE SCHWIPPER, Berlin